Immer mehr junge Menschen wollen mit Hilfe der Stasi-Unterlagen-Behörde klären, ob tote Familienangehörige in die Aktivitäten des DDR-Geheimdienstes verstrickt oder von ihnen betroffen waren. Das sagte Behördenleiter Roland Jahn der „Mitteldeutschen Zeitung“. „Die zunehmende Zahl von Anträgen auf Akteneinsicht von Verstorbenen zeigt, dass die nächste Generation wissen will, wie ihre Eltern und Großeltern gelebt haben“, sagte er dem Blatt.
In den ersten zwei Monaten 2011 wurden 640 solcher Anträge bei der Behörde gestellt. Sie mussten häufig abgewiesen werden, weil die gesetzliche Grundlage für eine Akteneinsicht fehlte. Im Januar und Februar 2012 hat sich die Zahl dieser Anträge auf 1.135 nahezu verdoppelt. Die Erfolgsaussichten sind nun größer, da die Akteneinsicht mit der zu Jahresbeginn in Kraft getretenen Novelle des Stasi-Unterlagen-Gesetzes erleichtert wurde. Nach dem alten Gesetz konnten nahe Angehörige lediglich in Ausnahmefällen beziehungsweise bei rechtlichen Auseinandersetzungen Auskunft verlangen. Jetzt kann ihnen Einsicht auch dann gewährt werden, wenn es ganz allgemein darum geht, die Einflussnahme der Staatssicherheit auf ein Familienschicksal zu ergründen. Auch sonst ist der Andrang auf die Behörde so stark wie lange nicht mehr. Das ergibt sich aus den neuesten Zahlen, die der „Mitteldeutschen Zeitung“ vorliegen. Demnach gingen in den ersten beiden Monaten des laufenden Jahres 2012 knapp 24.000 Anträge auf persönliche Akteneinsicht ein. Hochgerechnet auf das Jahr wären dies 144.000. So viele waren es das letzte Mal 1998 und 1999. 2011 stellten rund 80.000 Menschen Anträge auf Akteneinsicht. Jahn erklärte dazu: „Das Bedürfnis der Menschen, in die Akten zu schauen, ist ungebrochen. Es geht ihnen dabei um Aufklärung über das, was war. Es genau zu wissen, das ist ein Gewinn für sie.“ Infolge der Novellierung des Stasi-Unterlagen-Gesetzes ist schließlich die Zahl der Stasi-Überprüfungen im öffentlichen Dienst etwas gewachsen. Es waren im Januar 41 und im Februar 27; im Dezember, also vor der Gesetzesänderung, waren es 15. Der Kreis derer, die überprüft werden dürfen, ist in der Novelle noch einmal ausgeweitet worden. Jetzt können alle Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes ab der Gehaltsstufe A 9 ohne Anlass überprüft werden, vorher ausschließlich Behördenleiter.