Griechenland muss länger als geplant am finanziellen Tropf der Euro-Staaten hängen. Das berichtet die „Süddeutschen Zeitung“ (Dienstagausgabe) unter Berufung auf Aussagen hoher EU-Diplomaten am Montag in Brüssel. Demnach kann das Land voraussichtlich nicht wie geplant von 2015 an seinen Haushalt ohne zusätzliche Hilfen finanzieren, hieß es weiter.
Auch das Ziel, von 2020 an die Schulden wieder komplett an den Finanzmärkten refinanzieren zu können, werde verfehlt. Athen benötige „mindestens zwei Jahre“ zusätzlich Zeit, um wieder auf die Beine zu kommen, hieß es übereinstimmend in Brüssel und in europäischen Notenbanken. Beide Seiten bezifferten die neue Finanzierungslücke auf „rund 30 Milliarden Euro“. Damit ist völlig offen, ob und wann das kurz vor der Pleite stehende Land eine weitere Tranche aus dem zweiten Hilfspaket erhält. Darin stellen die Euro-Staaten und der Internationale Währungsfonds (IWF) bis zu 130 Milliarden Euro zur Verfügung. Das Geld soll allerdings nur dann gezahlt werden, wenn Griechenland seine Verpflichtungen so weit erfüllt, dass es von 2020 an wieder allein wirtschaften kann. Andernfalls muss der IWF gemäß seinen Statuten die Zahlungen einstellen. Steigt der IWF aber aus, entfiele wiederum die Grundlage für einige Euro-Staaten, unter ihnen Deutschland, sich weiter an den Hilfen zu beteiligen. Um einen Ausweg zu finden, hatte IWF-Chefin Christine Lagarde bei einem Treffen der Finanzminister der Euro-Länder auf Zypern dafür plädiert, dass Griechenland mehr Zeit für seine Reformen bekommen solle und die Euro-Staaten gleichzeitig die zusätzlichen Kosten übernähmen. Das lehnte unter anderem Deutschland ab. „Wir haben jetzt ein grundsätzliches Problem“, sagte ein hoher EU-Diplomat der „Süddeutschen Zeitung“. Europäische Notenbanker sehen für die neue Finanzlücke drei Ursachen. Das krisengeschüttelte Land sei bereits mit einem Minus von mehr als zehn Milliarden Euro in das zweite Hilfsprogramm gegangen. Danach setzte Athen zahlreiche Maßnahmen nicht wie geplant um, beispielsweise Reformen des Steuersystems oder den Verkauf von Staatseigentum. Und jetzt bittet Premierminister Antonis Samaras noch um zwei Jahre mehr Zeit, um die EU-Sparvorgaben zu erfüllen. Wegen der katastrophalen Wirtschaftslage – Griechenlands Wirtschaft schrumpft seit fünf Jahren – sieht sich Samaras außerstande, die staatlichen Ausgaben so schnell zusammenzukürzen; er befürchtet, in diesem Fall steige die Arbeitslosigkeit noch weiter. Laut Notenbankern steht der Verbleib Griechenlands in der Euro-Zone weiter auf der Kippe. Die Euro-Staaten wollten Athen in der Währungsunion halten, scheuten sich wegen der Skepsis ihrer Bürger aber davor, selbst das zusätzliche Geld aufzutreiben. „Wenn Griechenland drinbleiben soll, müssen die Regierungen 30 Milliarden bereitstellen“, heißt es aus einer Zentralbank. Die Sorge ist, dass die Regierungen die Verantwortung auf die Europäische Zentralbank abschieben wollen, die dem Land im August bereits eine Notfinanzierung von 3,5 Milliarden Euro gewährte und griechische Staatsanleihen im Umfang von 40 Milliarden Euro hält.