Die Affäre um dubiose Millionengeschäfte des Energie- und Atomkonzerns EnBW in Russland wird immer rätselhafter. Sowohl das Bundeskanzleramt als auch der deutsche Bundesnachrichtendienst waren offenbar früh in die Russland-Kontakte des drittgrößten deutschen Stromkonzerns zum umstrittenen Moskauer Lobbyisten Andrey Bykow eingeweiht. Das legt die Antwort der Bundesregierung auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Bundestagsabgeordneten und atompolitischen Sprecherin der Partei, Sylvia Kotting-Uhl, nahe.
Das Schreiben von Ende August liegt der „Süddeutschen Zeitung“ vor. Die Regierung bestätigt in dem Papier erstmals, dass der Name des Lobbyisten schon vor Jahren auch im Bundeskanzleramt ein Begriff war. Es habe 2003/2004 „ein Gespräch der Energie Baden-Württemberg AG (EnBW) mit Herrn Uhrlau“ gegeben, teilt die Regierung in Ihrer Antwort mit. Der spätere BND-Chef Ernst Uhrlau war zu dieser Zeit Leiter der Abteilung VI im Berliner Bundeskanzleramt – und damit verantwortlich für den Bundesnachrichtendienst. Er galt als einflussreiche Schnittstelle zwischen Bundesregierung, Bundesnachrichtendienst, Bundesamt für Verfassungsschutz und dem Militärischen Abschirmdienst. „Herr Uhrlaus Gesprächspartner war der damalige Generalbevollmächtigte Wirtschaft, Politik und Gesellschaft von EnBW“, heißt es in dem Papier weiter. Schließlich räumt die Regierung auch ein: „Am Tage des Gesprächs stellte ein Mitarbeiter der Abteilung sechs im Bundeskanzleramt eine Personenanfrage beim Bundesnachrichtendienst zu Herrn Bykow.“ Zum Ergebnis und Hintergrund der Anfrage äußerte sich die Regierung nicht. Offenbar herrschte höchste Geheimhaltung, denn die Regierung lässt wissen: „Ein Gesprächsvermerk liegt nicht vor.“ Der damalige Kontakt zwischen EnBW und dem Bundeskanzleramt sowie die BND-Anfrage zum langjährigen Geschäftspartner der EnBW in Russland deutet darauf hin, dass es sowohl im Unternehmen als auch in der Bundesregierung früh Klärungsbedarf über die Hintergründe des Lobbyisten gab, der zwischen 2001 und 2008 im großen Stil in Atomgeschäfte des Karlsruher Konzerns eingebunden war und von dem EnBW heute vor internationalen Schiedsgerichten rund 130 Millionen Euro zurückfordert. Dennoch liefen die Geschäfte noch Jahre weiter. In Berlin lösen die Antworten der Regierung zum Thema Bykow Erstaunen aus. „Offensichtlich bestanden zu der Zeit schon Zweifel der EnBW-Konzernspitze an Herrn Bykow“, sagt die Grünen-Abgeordnete Kotting-Uhl. „Die Frage ist dann allerdings, warum man trotzdem noch jahrelang mit ihm im Geschäft blieb.“