Der Chef des Sachverständigenrates, Wolfgang Franz, blickt trotz der Euro-Schuldenkrise und des weltweiten Konjunkturabschwungs zuversichtlich in das neue Jahr. Die deutsche Wirtschaft werde 2012 zwar wohl nur um 0,5 Prozent wachsen, sagte Franz dem „Handelsblatt“ (Dienstagausgabe). In dem im November vorgelegten Jahresgutachten gingen die Wirtschaftsweisen noch von einer fast doppelt so hohen Zuwachsrate aus.
„Aber eine Rezession befürchte ich nicht – erst recht nicht eine so starke wie 2009, als das Bruttoinlandsprodukt um rund fünf Prozent absackte“, sagte er. Die Zahl der Beschäftigten sei so hoch wie nie, die Kapazitäten der Industrie seien besser ausgelastet als im langjährigen Durchschnitt, die Unternehmen seien gesund und zuversichtlich. „Deutschland geht es gut, noch jedenfalls“, sagte der Chef der fünf Wirtschaftsweisen. Franz übte scharfe Kritik an der Chefin des Internationalen Währungsfonds (IWF), Christine Lagarde, die kürzlich vor einer Weltwirtschaftskrise wie in den 30er-Jahren gewarnt hatte: Es sei zwar richtig, auf Risiken hinzuweisen, sagte Franz. „Aber Rezessionen lassen sich auch herbeireden. Frau Lagarde wäre wirklich gut beraten, bei ihrer Wortwahl zurückhaltender zu sein“, warnte der Präsident des Zentrums für Europäische Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim. Wenn die öffentliche Debatte anhalte, fürchteten viele Unternehmen, „dass irgendwann eine Kette von Bremsmanövern in Gang gesetzt wird“. Investitionen würden zurückgestellt, die Personalpolitik würde vorsichtiger gestaltet – „und dann hätten wir möglicherweise eine Rezession“, warnte Franz. Franz übte auch Kritik an der eigenen Zunft. In der Euro-Schuldenkrise hätten viele Ökonomen „entweder ein Achselzucken parat oder sie hoffen, dass es so nicht kommt“, kritisierte er. „Selbst die Bundesbank wird in der Öffentlichkeit eher durch rote Linien wahrgenommen, die nicht überschritten werden dürfen.“ Auch den neuen Bundesbankchef verschonte der Wirtschaftsweise nicht mit seiner Kritik: „Jens Weidmann müsste Vorschläge für einen Plan B machen“, forderte der Chef des Sachverständigenrates. Es sei nicht geklärt, was passieren solle, falls sich die Finanzmärkte selbst von sinnvollen und hinreichenden Maßnahmen in den Problemländern nicht überzeugen ließen. Franz kritisierte im Gespräch mit dem „Handelsblatt“ zudem, dass Weidmanns Vorgänger Axel Weber und Noch-EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark im Streit über den Ankauf von Staatsanleihen durch die Europäische Zentralbank ihre Posten aufgegeben haben. Er könne das zwar nachvollziehen. „Gleichwohl hätte ich mir gewünscht, dass sie für ihre Positionen in der EZB weiter gekämpft hätten“, sagte Franz. „Das ist anstrengend, aber lohnend. Sie haben doch gute Argumente.“