Der Wettbewerb auf dem globalen Stahlmarkt ist seit geraumer Zeit von einem Überangebot geprägt. Die damit verbundenen Herausforderungen und der Ruf nach mehr Klimaschutz in der Stahlproduktion zwingen die Unternehmen, neue Wege zu gehen, wenn sie sich langfristig auf dem Markt behaupten wollen. Die Karten in der internationalen Stahlindustrie werden derzeit neu gemischt.
Politik und Wirtschaft gestalten gemeinsam den Wandel
Die europäische und damit auch die deutsche Stahlindustrie kämpft auf dem Weltmarkt mit starken Konkurrenten. Große Mengen an Stahl aus China und anderen Ländern haben zu einem Überangebot geführt, das zunehmend die Preise drückt. Selbst im Jahr 2020, in dem es corona-bedingt zu Produktionseinschränkungen gekommen ist, schätzt die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OSZE), dass etwa 700 Millionen Tonnen Stahl produziert wurden, die keine Abnehmer gefunden haben.
Ohne staatliche Subventionen ist deshalb eine Stahlproduktion in Deutschland und Europa kaum mehr möglich. Dies liegt nicht nur an den Überkapazitäten, sondern auch an zahlreichen anderen Faktoren. Covid 19 ist nur einer der Gründe, warum sich die Bilanzen der Stahlkonzerne aktuell nicht gerade positiv entwickeln. Neben diesen temporären Problemen gibt es jedoch eine viel größere Herausforderung, die für die Zukunftsfähigkeit der deutschen und europäischen Stahlindustrie von entscheidender Bedeutung ist: der Klimawandel.
Stahlindustrie verantwortet 30 Prozent der industriellen CO2-Emissionen
Etwa 30 Prozent der industriellen CO2-Emissionen gehen auf das Konto der Stahlindustrie, in der nach wie vor in erster Linie klimaschädliche Kohle genutzt wird, um aus Eisenerz Roheisen zu gewinnen. Die international vereinbarten Klimaziele sind auf diese Weise nicht zu erreichen. Bis spätestens zum Jahr 2050 soll in Europa Klimaneutralität erreicht werden. Für die Stahlindustrie bedeutet dies einschneidende Veränderungen, die von der Politik begleitet werden müssen. Vertreter aus den zuständigen Ministerien für Wirtschaft und Umweltschutz sind deshalb derzeit gerne gesehene Gäste bei den Interessenverbänden der Stahlindustrie. Produzenten aber auch Händler, die ihr Geschäft mit hochwertigen Stählen mit einer hohen Streckgrenze und hoher Verschleißfestigkeit vom Typ 1.4542 und anderen Stahlprodukten machen, setzen bei der Umgestaltung der Branche auf die Unterstützung staatlicher Stellen.
Kunden verlangen grünen Stahl
Druck kommt nicht nur von Umweltverbänden und Klimaschützern, sondern auch von den Kunden der Stahlkonzerne. Bedeutende Abnehmer wie die Autoindustrie stehen selbst vor der Herausforderung, die gesteckten Klimaziele zu erreichen. Sie verlangen immer öfter auch von ihren Zulieferern auf fossile Brennstoffe in der Produktion zu verzichten. Ziel ist es, den gesamten Wertschöpfungsprozess klimaneutral zu gestalten und die Dekarbonisierung voranzutreiben. In genau dieser Forderung liegt die Chance für die deutsche und die europäische Stahlindustrie. Unternehmen, die möglichst zeitnah grünen Stahl auf den Markt bringen und diesen zu wettbewerbsfähigen Preisen anbieten, werden sich mit dieser Strategie ein großes Stück des globalen Stahlkuchens sichern. Das „Handlungskonzept Stahl – Für eine starke Stahlindustrie in Deutschland“, das der damalige Wirtschaftsminister Peter Altmaier im Jahr 2020 vorgestellt hat, liefert die Basis für die dazu erforderlichen zukunftsweisenden Investitionen. Um hochwertige Stähle wie zum Beispiel den martensitischen und aushärtbaren Werkstoff 1.4542 zu fertigen, sollen in Zukunft immer öfter innovative Technologien zum Einsatz kommen, die den CO2-Ausstoß bei der Stahlproduktion nachhaltig reduzieren.
Vielfalt der Stahlsorten erfordert differenzierte Betrachtungen
Je nach Legierung verfügt Stahl über spezifische Eigenschaften. Stahl ist also nicht gleich Stahl. Aus diesem Grund unterscheiden sich auch die Produktionsmethoden und die damit verbundenen Belastungen der Umwelt. Eine grundsätzliche Klassifizierung der verschiedenen Stähle erlaubt die DIN 10027. Innerhalb dieser Norm werden die Stähle sowohl aufgrund ihrer Legierung als auch aufgrund ihres Verwendungszweckes unterschieden. Insbesondere viele im Ausland produzierte Stähle werden von der DIN jedoch nicht erfasst. Diese Stähle werden durch Sonderbezeichnungen gekennzeichnet.
Grundsätzlich wird in der DIN 10027 zwischen legierten und unlegierten Stählen unterschieden. Entscheidend für die Einstufung in eine der beiden Gruppen ist der Anteil von Elementen, die außer Kohlenstoff und Eisen Teil der Legierung sind. Bei unlegierten Stählen darf der Anteil einzelner zusätzlicher Elemente den Wert von 0,1 Prozent an der gesamten Masse nicht übersteigen. Innerhalb der Gruppe der legierten Stähle werden weitere Kennzahlen zur Unterscheidung der verschiedenen Stahlqualitäten herangezogen. Leicht zu identifizieren sind die unterschiedlichen Stahlsorten an ihrer Werkstoffnummer, die offiziell vom Stahl-Institut vergeben wird. International wird auch die vierstellige Kennzahl des American Iron and Steel Institute (AISI) zur Klassifizierung und Identifizierung von Stählen genutzt.
Neue Stahlsorten bieten neue Möglichkeiten
Die Ansprüche der Kunden steigen nicht nur in Bezug auf eine klimaverträgliche Produktion, sondern auch in Fragen der Stahlqualität. In der langen Geschichte des Stahls wurde der Werkstoff kontinuierlich optimiert und an neue Bedürfnisse angepasst. Ständig werden neue Stahlsorten entwickelt, die immer höheren Anforderungen gerecht werden müssen. Umwelt- und Kostenaspekte spielen dabei ebenso eine Rolle wie die Resistenz gegen äußere Einflüsse unterschiedlichster Art. Ganz gleich ob eine höhere Zähigkeit erwartet wird oder eine hohe Festigkeit gefragt ist, moderne Stähle erfüllen vielfältige individeulle Vorgaben. Natürlich darf auch bei neuen Stählen der Klimaaspekt nicht unberücksichtigt bleiben.
Nachhaltiges Bauen mit Stahl
Nachhaltige Lösungen sind nicht nur in der Stahlproduktion, sondern auch im Bausektor zunehmend gefragt. Stahl kann aufgrund seiner Recylingfähigkeit in dieser Frage unter bestimmten Voraussetzungen eine Alternative zu anderen Baustoffen darstellen. Insbesondere Bewehrungsstahl, der vorwiegend aus recyceltem Schrott besteht, weist eine vorzeigbare Ökobilanz auf. Nach der Verbauung treten bei Stahl keine weiteren Umweltbelastungen mehr auf. Stahlschrott, der zum Beispiel von nicht mehr benötigten Werkzeugen stammt und nach dem Recycling zum Bauen eingesetzt wird, trägt maßgeblich dazu bei, die Gesamtökobilanz von Stahl zu optimieren.
Werkzeuge aus Stahl mit langer Lebensdauer
Ohne gutes Werkzeug ist es insbesondere im Handwerk und in der Industrie kaum möglich, erstklassige Ergebnisse zu erzielen. Die Qualität eines Werkzeugs hängt in hohem Maße vom Material ab, aus dem es gefertigt wurde. Aufgrund der Vielzahl von unterschiedlichen Stahllegierungen ist es möglich, für jedes Werkzeug den optimalen Stahl zu finden. Während zur Herstellung von Bits oder Ratschen in erster Linie Stahl in einer Chrom-Vanadium-Legierung genutzt wird, kommt bei Feilen bevorzugt Werkzeugstahl oder Edelstahl der Klasse 1.4410 zum Einsatz. Unabhängig von ihrem Einsatzzweck sorgt hochwertiger Stahl für eine lange Lebensdauer der Werkzeuge und damit für eine nachhaltige Nutzung.
Künstler entdecken die vielfältigen Qualitäten von Stahl
Während Produktdesigner Stahl schon lange nutzen, um Alltagsgegenständen einen besonders hochwertigen und modernen Charakter zu verleihen, stieß das Material in der Kunstszene lange Zeit auf weniger Begeisterung. Neue Projekte zeigen jedoch, dass auch bildende Künstler zunehmend die Vorteile des Materials erkennen. Durch den im Jahr 2018 geschaffenen, mit 60.000 Euro dotierten Stahl-Innovationspreis wurde für Künstler und Designer ein zusätzlicher Anreiz geschaffen, sich mit dem Thema Stahl zu beschäftigen. Der Einsatz von Stahl in der Kunst kann dazu beitragen, die Bedeutung des Werkstoffs für das moderne Leben einer breiten Öffentlichkeit auf eindrucksvolle und anschauliche Weise vor Augen zu führen und über neue grüne Produktionsmethoden aufzuklären.
Nachhaltig erzeugter Wasserstoff soll fossile Brennstoffe ersetzen
Insbesondere mit Hilfe von erneuerbaren Energiequellen erzeugter Wasserstoff soll schon bald die dreckige Kohle ersetzen und die Stahlproduktion klimaneutral machen. Investitionen in diese Technologien sollen massiv gefördert werden, um den Stahlstandort Deutschland und die etwa 85.000 Arbeitsplätze der Branche langfristig zu sichern. Wenn Deutschland es schafft, in dieser Frage die angestrebte Vorreiterrolle zu übernehmen, erwächst daraus ein Wettbewerbsvorteil, der sich schon mittelfristig auswirkt. Nur wenn die neuen Technologien deutlich vor der Deadline, dem Jahr 2050, zur Verfügung stehen und in industriellen Größenordnungen genutzt werden können, wird sich die deutsche Stahlindustrie einen Spitzenplatz auf dem globalen Stahlmarkt der Zukunft sichern können. Die Aussichten, dieses ambitionierte Ziel zu erreichen und diese einmalige Chance erfolgreich zu nutzen, stehen gar nicht schlecht.