Weniger ist manchmal mehr

Bei beamteten Ärzten werden die Versorgungsbezüge aus dem Versorgungswerk auf die beamtenähnliche Versorgung angerechnet.

Beamtenversorgung
Chefarzt Gerhard L. hat jahrelang in verschiedene Vorsorgesysteme eingezahlt – in der Hoffnung auf satte Bezüge im Alter. Mit 54 Jahren erfährt er, dass die Rentenzahlungen des einen Versorgungsträgers auf die des anderen angerechnet werden. Daher erhält er mit 65 Jahren monatlich 2 700 Euro weniger Rente als erwartet.
Für den Chefarzt wirkt sich ein Versäumnis seines Arbeitgebers negativ aus. Dieser hatte ihm eine wichtige Information vorenthalten: Mit der Berufung zum Chefarzt hätte L. die Befreiung von der Pflichtmitgliedschaft in der Ärzteversorgung (AV) beantragen sollen, um sich dort freiwillig zu ermäßigten Beiträgen weiterzuversichern.
Stattdessen zahlte er 16 Jahre den Pflichtbeitrag in die AV ein – ohne zu wissen, dass er das meiste Geld davon nie wiedersehen würde. Aber von vorn. In einem kommunalen Krankenhaus macht L. Karriere: Assistenzarzt – Facharzt – Oberarzt – Chefarzt.
Von Anfang an zahlt er (zusammen mit dem Arbeitgeber) in drei Versorgungssysteme ein: in die Deutsche Rentenversicherung Bund (früher Bundesversicherungsanstalt für Angestellte, BfA), in die Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) und in die AV. In eine beamtenähnliche Versorgung, die Versorgungskasse (VK), zahlt der Arbeitgeber alleine ein. Wie hoch das Ruhegehalt eines Arztes ausfällt, errechnet sich unter anderem nach den Dienstjahren. Bis zu 75 Prozent der Dienstbezüge in der höchstmöglichen Besoldungsgruppe stehen einem Chefarzt heute zu.
In den nächsten Jahren wird dieser Prozentsatz schrittweise auf 71,75 Prozent zurückgefahren. Nach heutigen Verhältnissen steht L., der 1995 verbeamtet wurde, mit 65 Jahren ein monatliches Ruhegehalt in Höhe von 3 800 Euro zu.
Durch die beschlossene Absenkung des Versorgungsniveaus werden es zum Zeitpunkt seiner Pensionierung nur noch 3 300 Euro sein. Bisher ging L. davon aus, dass er neben diesen 3 300 Euro aus der VK, 2 700 Euro von der AV, 300 Euro von der VBL und 200 Euro von der BfA erhält. Nach dem Beamtenversorgungsgesetz bilden die 75 Prozent der letzten Vergütung aber die Obergrenze für sämtliche Auszahlungen, die als „Renten“ angesehen werden.
Im Falle von L. liegt diese Obergrenze bei 3 300 Euro. Stellt die VK fest, dass er aus anderen Quellen Altersbezüge erhält, so werden diese Summen davon abgezogen: 3 300 Euro aus der VK minus 2 700 Euro von der AV minus 300 Euro von der VBL und minus 200 Euro von der BfA ergibt 100 Euro. Die VK ist danach nur verpflichtet, 100 Euro im Monat zu überweisen. L. muss also Kürzungen in Höhe von 2 700 Euro hinnehmen.
Freiwillige Mitgliedschaft im Versorgungswerk Es wäre deutlich vorteilhafter gewesen, wenn der Chefarzt rechtzeitig auf eine freiwillige Mitgliedschaft in der Ärzteversorgung umgestellt hätte. Als freiwillig Versicherter hätte L. für den AV-Beitrag zwar allein aufkommen müssen, hätte ihn aber nach Wahl auf ein Zehntel oder drei Zehntel des bis – herigen Beitrags senken können – oder ganz auf Beitragszahlungen verzichten können.
Letzteres ist allerdings nicht zu empfehlen, weil damit die Mitgliedschaft bei der Ärzteversorgung beendet wird. Er hätte aber auch freiwillig den gleichen Betrag wie als Pflichtversicherter einzahlen können, inklusive des Arbeitgeberanteils. Spätere Leistungen, die sich aus den freiwilligen Mitgliedschaft ergeben, werden auf die Leistungen der Versorgungskasse nämlich nicht angerecht.
Das heißt: Diese Ansprüche aus der freiwilligen Mitgliedschaft bekommt der Arzt später tatsächlich ausgezahlt. Wäre L. mit Berufung zum Chefarzt freiwilliges Mitglied bei der Ärzteversorgung geworden, so erhielte er mit 65 Jahren zwei unterschiedliche Beträge:
– den Anteil aus der Pflichtversicherung, die er sich in seiner Zeit als Assistenzarzt, Facharzt und Oberarzt erarbeitet hat (13 Jahre, diese Ansprüche werden auf die Leistungen der Versorgungskasse angerechnet) und
– den Anteil aus der freiwilligen Mitgliedschaft in seiner Zeit als Chefarzt (voraussichtlich 26 Jahre, diese Ansprüche bleiben erhalten).
Meist werden die Versorgungsbezüge und Renten auf die beamtenähnliche Versorgung angerechnet. Allerdings nicht immer. Es macht einen Unterschied, ob ein Arzt Oberarzt oder Chefarzt ist. Es macht einen Unterschied, ob die Klinik öffentlich-rechtlich oder kirchlich getragen wird.
Es macht einen Unterschied, ob der Arbeitgeber sich zu 50 Prozent an den Versorgungsbeiträgen beteiligt oder gar nicht. Und es macht einen Unterschied, ob ein Mediziner pflicht- oder freiwillig versichert ist. Vorsicht ist immer dann geboten, wenn Versorgungskasse auf Ärzteversorgungswerk trifft. In diesem Fall ist es geboten, den Vertrag zwischen dem Arbeitgeber und dem Chefarzt zu prüfen. Eine Nachfrage beim zuständigen Versorgungswerk und der Besoldungsbehörde kann in diesen Fällen viel Geld wert sein.

Jürgen Möhring, als staatlich geprüfter Masseur und Bewegungstherapeut vertraut mit den Entwicklungen im deutschen Gesundheitssystem, wechselt 1998 in den Bereich Finanzdienstleistungen. Die Altersvorsorge für Heilberufe stellte sich bald als Schwerpunkt seiner Tätigkeit dar.

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