Der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, rät der Politik zu mehr Bedächtigkeit. „Eigentlich brauchte die Politik mehr Momente der Entschleunigung, Reflexionsschleifen, um über grundlegende Entscheidungen nachzudenken, aber auch, um bereits getroffene Entscheidungen zu evaluieren“, sagte er der „Zeit“. Als Beispiel für zu schnelle Reaktionen nannte der Präsident des höchsten deutschen Gerichts die Aufnahme des Urteils zum Lissabon-Vertrag 2009.
„Dieses Urteil wurde jedenfalls teilweise missverstanden, was vielleicht auch mit dem Stil zu tun hat, in dem es geschrieben ist“, sagte er. Nach den Worten des Gerichtspräsidenten kursierte damals bei Politikern eine Kurzfassung des Urteils, „in dem wesentliche Passagen aus dem Kontext gerissen worden waren oder sehr verkürzt wiedergegeben wurden“. Als er dann zu einem Gespräch mit den Europaministern der Bundesländer zusammentraf, „herrschte eine eher kritische Grundstimmung, die sich aber im Laufe des Gesprächs legte. Das hat mir gezeigt, dass es selbst in einem professionellen Umfeld nicht einfach ist, eine so vielschichtige Entscheidung sofort richtig zu erfassen“, sagte Voßkuhle. Er fügte über den Politikbetrieb hinzu: „Ich war schon etwas überrascht, wie grob mitunter die Keile sind, die da ins Holz getrieben werden. Die zweite Erfahrung war, dass die Halbwertszeit der Auseinandersetzung sehr kurz ist. Über zwei, drei Tage herrscht große Aufregung. Und dann ist es auch schon wieder vorbei.“ Voßkuhle äußerte sich auch zu der Bundespräsidentschaft, die Bundeskanzlerin Angela Merkel ihm angetragen hatte: „Ich selbst habe mich nicht im engeren Kreis der möglichen Kandidaten für das Bundespräsidentenamt gesehen und bin über die jetzt getroffene Wahl sehr glücklich.“ Der Anruf bei Voßkuhle wurde schnell bekannt. Er sagte über den Sachverhalt, dass dieses nicht öffentliche Gespräch auf einmal öffentlich wurde: „Man ist überrascht.“