Vorbild Österreich: Qualitätssiegel für Lernsoftware an öffentlichen Schulen

Stiftung Digitale Bildung zum Zulassungsverfahren für digitale Lernmittel

Germering, 4. März 2024. In Österreich wurde 2023 ein standardisiertes Evaluierungs- und Zertifizierungsverfahren für digitale Lernmittel etabliert. Inzwischen sind 66 Produkte, darunter auch viele Lernsoftwarelösungen deutscher Softwareanbieter, auf der Webseite https://guetesiegel-lernapps.at/ als erfolgreich evaluiert gelistet. Schulen in Österreich sind berechtigt, diese Programme als Unterrichtsmittel eigener Wahl anzuschaffen und zu nutzen. In Deutschland ist ein solches Gütesiegel für Lernsoftware nicht in Sicht. Vielmehr wird das Verfahren der Lernmittelzulassung, das auf klassische Lehrbücher ausgerichtet ist, auch auf digitale Lernmittel angewandt. Mit der Folge, dass bisher nur digitalisierte Lehrbücher zugelassen sind.

Das österreichische Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung (BMBWF) will mit dem Lern-Apps-Gütesiegel „Lehrkräften, Schülerinnen und Schülern sowie Erziehungsberechtigten Orientierung und Hilfestellung bei der Auswahl innovativer, bereits am Markt befindlicher Produkte bieten“. Beim zweistufigen Evaluierungs- und Zertifizierungsprozess werden zunächst technische, datenschutzrechtliche und grundlegende didaktische Eigenschaften geprüft. Auf der zweiten Stufe werden die zum Verfahren zugelassenen Lern-Apps von je drei Evaluatorinnen bzw. Evaluatoren (Lehrkräften) in einem Zeitraum von zwei bis zwölf Wochen gemeinsam mit ihren Schülerinnen und Schülern genutzt und anschließend anhand eines Kriterienrasters bewertet. Bei der Bewertung in den Kategorien A (pädagogische-didaktische Kriterien), B (Funktionalität und mediale Gestaltung) und C (Lernendenorientierung) muss die Lernsoftware ein Gesamtergebnis von mindestens 65 Prozent erreichen, um das Gütesiegel zu erhalten. Unter den 66 Lernapps, die das österreichische Gütesiegel erlangt haben, finden sich auch Programme deutsche Anbieter wie u.a. Anton, Bettermarks und Brainix.

Ein solches öffentliches Verfahren zur Qualitätsprüfung und Freigabe von Lernsoftware gibt es in Deutschland nicht. Bei „eduCheck digital“, einem gemeinsamen Projekt der 16 Bundesländer, geht es ausschließlich um die Entwicklung und Erprobung von technischen und rechtlichen Standards, was ungefähr der Stufe 1 des österreichischen Verfahrens entspricht. Zum Prüfbereich „Didaktik“ heißt es auf der Website, dass Prüfungen inhaltlicher und methodisch-didaktischer Art im Hoheitsbereich der Länder lägen ( https://educheck.schule/was-ist-educheck/).

Klassische Lernmittel-Zulassung als Maßstab
Das bedeutet, dass in Deutschland für die Didaktik-Prüfung aktuell und auf absehbare Zeit nur das klassische Lernmittel-Zulassungsverfahren zur Verfügung steht, das in der Regel zwei bis drei Jahre dauert und an Lehrbüchern orientiert ist. Schaut man zum Beispiel auf die Seite des bayerischen Kultusministeriums, um sich über zugelassene digitale Lernmittel zu informieren, so findet man Hunderte Angebote. Doch unter den dort aufgeführten Lernmitteln stehen – ohne Ausnahme – „Digitalisate zugelassener Schulbücher“, also digitale Pendants zu konventionellen Schulbüchern, jedoch keine als eigenständige Lernsoftware oder ganzheitliches digitales Lehrwerk konzipierte Lösung. Das dürfte in der Sichtweise begründet liegen, die im bayerischen Kriterienkatalog für die Begutachtung von Lernmitteln dargelegt ist (Seite 17): „Für digitale Lernmittel gelten dieselben Kriterien wie für gedruckte Lernmittel.“ Darüber hinaus seien „ergänzend zu den allgemeinen Qualitätsmerkmalen“ spezifische Aspekte digitaler Lösungen zu prüfen.

Kommentar von Jürgen Biffar, Vorstand der Stiftung Digitale Bildung: „Wenn man bei Lernsoftware dieselben Kriterien anwendet wie bei Schulbüchern, ergänzt durch digitale Aspekte, wird man den Möglichkeiten moderner digitaler Lehrwerke nicht gerecht. Aus unserer Sicht sollte für Lernsoftware ein eigenständiges, praxisorientiertes Zulassungsverfahren angewandt werden. Das in Österreich erarbeitete Gütesiegel-Verfahren kann als Vorbild dienen.“

Die gemeinnützige Stiftung Digitale Bildung wurde 2019 von Michaela Wienke und Jürgen Biffar aus der Überzeugung heraus gegründet, dass zur Bewältigung der großen Herausforderungen unserer Zeit – Digitalisierung, Globalisierung und Klimawandel – ein höheres Bildungsniveau in allen Bevölkerungsschichten erforderlich ist. Erreichbar ist das Ziel deutlich erhöhter Lernerfolge aus Sicht des Stifterehepaars durch digitale Mittel. Als Gründer und bis 2019 Geschäftsführer von DocuWare, einem international renommierten Anbieter von Cloud-basierten Lösungen für Dokumentenmanagement und Workflow-Automation, verfügt Jürgen Biffar über mehr als 30 Jahre Erfahrung in der Softwareentwicklung.
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