Vorbildliches und Kurioses der Tafelkultur bei den Sieben Schlössern im Leine- und Weserbergland
Pattensen, Juni 2012 – Sitz gerade! Mit vollem Mund spricht man nicht. Und spiel nicht mit dem Essen! Wer hat diese Ermahnungen nicht in seiner Kindheit gehört? Ihr Befolgen gehört zum guten Stil, und der ist längst nicht passé. Weltweite Bewegungen wie das Diner en Blanc, die Guerilla Gourmets und zahlreiche Fernsehdinner-Shows beweisen, dass der stilvolle Genuss im Trend ist. Anregungen finden sich vor allem bei den Hütern alter Kultur: die Königs- und Fürstenhäuser ließen zu Repräsentationszwecken, zu wichtigen Terminen oder auch zum täglichen Gebrauch feines Porzellan und kostbares Besteck auf zarter Tischwäsche auftragen. Nicht immer sind all diese wertvollen Stücke zu sehen. Doch in einigen der Sieben Schlösser im Leine- und Weserbergland ist in dieser Saison Interessantes zu entdecken.
Auf Schloss Hämelschenburg bei Hameln wurde schon immer Wert auf Nachhaltigkeit gelegt. So schlossen sieben befreundete Adelsfamilien zu Beginn des Dreißigjährigen Krieges (1618) einen Vertrag, der sie streng Maß halten hieß. Zwar wurden die Armen weiter gespeist, doch es gab kein Konfekt mehr, Schmuck wurde nicht mehr getragen und im Stall durften nur vier Kutschpferde stehen. Man importierte keine Lebensmittel mehr, sondern lebte von den Erzeugnissen der Ländereien, der Mühle und der eigenen Aalräucherei. Dennoch sind bis heute neben einer Sammlung von Rezepten aus den Jahren 1760 bis 1860 wertvolle Stücke der Hämelschenburger Tafelkultur erhalten: mit Monogrammen bestickte Tischwäsche, ein französisches Empire Service, verzierte Glaspokale sowie ein außergewöhnliches Besteck. Charlotte von Klencke war über Jahrzehnte eine angesehene Hofdame in Wien. Kaiserin Maria Theresia schenkte ihr ein goldenes Reisebesteck in einer eigens dafür angefertigten Schatulle. Die einzigartige Kostbarkeit kann nur in dieser Saison im Schloss besichtigt werden. Übrigens: Die Küche des Hauses wurde von den Herrschaften nie allein betreten. Wenn die Diener vor dem Zubettgehen fragten: „Haben Sie noch einen Wunsch?“ und man dies verneinte, hatte man Pech, wenn einen kurze Zeit später doch noch Hunger oder Durst überfielen – die Küche war tabu, ebenso das Wecken der Dienerschaft. Eine ganz andere Geschichte erzählt ein Schild aus den 1930er Jahren über dem Esstisch: „Sup di vull. Fret di dick. Hol din Mul vun Politik“ (Sauf dich voll. Friss dich dick. Halt dein Maul von Politik). Die Klenckes lehnten den Nationalsozialismus ab, wollten aber nicht, dass bei Tisch mit Gästen über ihre Politik gestritten wird.
Auf Schloss Bückeburg im Schaumburger Land herrschte ein anderes Leben. Zu den besten Zeiten zählten bis zu 180 Menschen zum Personal. Um die Gäste des Hauses zu beeindrucken, wurde vor dem Festsaal das schlosseigene Silber ausgestellt. Im prachtvollen Saal deckte unter den Kronleuchtern aus böhmischem Glas der eigens hierfür angestellte Tafeldecker lange Festtafeln mit dem Sèvres-Porzellan ein, das einst Napoleon dem Bückeburger Fürsten zum Einstieg in den Rheinbund schenkte. Die Tischdekoration, feine, dekorative Jagdszenen aus Porzellan, sollte die Tafelnden nicht nur beeindrucken, sondern Ihnen auch als Gesprächsthema dienen. Und nach dem Essen tranken sie heiße Schokolade aus Porzellantässchen mit zartem Blumenmuster. Ein goldgeränderter Deckel diente zum Schutz gegen die Haut auf dem Kakao. Kleine Porzellantonnen, aus China in Butterfässern importiert, wurden mit glühender Kohle bestückt und sorgten so für ein wenig Wärme in den Salons. Nicht selten und aus naheliegenden Gründen wurden sie von den Damen als Hocker entfremdet. Seit 2008 ist auch die ehemalige Schlossküche geöffnet, um Besucher zu bewirten: Im historischen Ambiente sind ein alter Ofen, gusseiserne Töpfe und Pfannen und sogar alte Menükarten zu sehen. So bestand im Jahr 1890 eine Mittagstafel schon mal aus elf Gängen, darunter Hummer, Austern und Champagner-Gelee.
Im Schloss Bad Pyrmont werden wiederum ganz andere Zeugnisse der früheren Tafelkultur gezeigt. Friedrich der Große, ein feinsinniger Kunst-liebhaber, erfreute seine Freunde gern mit speziell für sie gefertigtem Porzellan der Manufaktur Meißen, darunter das „Philosophische Service“ nach des Königs eigenen Zeichnungen für seinen Kammerherrn, den franzö-sischen Philosophen Jean-Baptiste de Boyer. Neben dieser bemerkenswerten Geburtstagsausstellung zu Ehren des preußischen Königs und anderen Porzellanen aus der Zeit des Siebenjährigen Krieges sind bis zum 2. Septem-ber 2012 auch außergewöhnliche Porzellane des 18. Jahrhunderts, zu sehen, Déjeuners und Solitaires, auf denen gemeinsam oder allein im Bett gefrüh-stückt wurde. Interessant ist auch eine kleine Skizze, die zeigt, dass die Gäste auf Schloss Pyrmont bereits 1795 an langen Tafeln in der Allee speisten. Damit wollten sie der Langeweile und der täglichen Routine auf ihren Höfen und Schlössern entfliehen. Heute findet diese Art des Tafelns in zahlreichen Städten eine moderne Fortsetzung mit den geheimnisvollen Diners en Blanc, eine immer populärer werdende Mode mit Ursprung in Paris.
Auf Schloss Bevern bei Holzminden wird zum 400-jährigen Jubiläum nicht nur Schlossgeschichte lebendig, sondern auch die Tafelkultur. Denn hier lebte Louis Victor Gerverot, einer der technisch fähigsten Leiter der nahegelegenen Porzellanmanufaktur Fürstenberg. Er war nach der Vertreibung des Königs Jerôme aus Kassel ganz plötzlich nach Schloss Bevern in Pension geschickt worden. Seine Fähigkeiten fehlten in der Manufaktur nun an jeder Stelle. Es heißt, dass über Jahre Bestandteile der Porzellanmalfarbe heimlich nach Bevern gebracht wurden, um von Gerverot zur Anwendung aufbereitet zu werden.
Südlich von Hannover, auf Schloss Marienburg, wurde anders getafelt. Was auf der Hämelschenburg undenkbar war, wurde hier häufig praktiziert: die Familie aß zusammen mit dem Gesinde in der Küche, denn es war dort viel wärmer als in den Salons. Diese Küche ist mit ihrer für die damalige Zeit hochmodernen Ausstattung und dem einzigartigen Warmwasserzulauf vollständig erhalten. In den Salons selbst ist heute eine Festtafel mit Porzellan und Silber aus dem Besitz der Königsfamilie gedeckt. So lässt sich nachvollziehen, wie trotz der kurzen Zeit, die Königin Marie mit ihren Kindern auf dem Schloss verbrachte, der gute Stil gewahrt und gepflegt wurde.
Während auf diesen Schlössern neben der Tafelkultur auch das alltägliche Leben nachvollziehbar ist, dreht sich auf Schloss Fürstenberg alles um das Eine: Porzellan. Denn hier befindet sich eine der ältesten und renommiertesten Manufakturen Europas. In der Ausstellung alter Porzellane ist derzeit unter anderem ein Service der Markgräfin Amalie von Baden ausgestellt, ein Geschenk des Herzogs Carl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig zu Beginn des 19. Jahrhunderts. Das Service ist nach dem damals modernen „goût grecque“, dem „griechischen Geschmack“, gestaltet und mit Sepiabraun und Gold bemalt. Die 18 Motive auf dem dazugehörigen neunteiligen Vasensatz stellen Episoden des griechischen Mythos von Amor und Psyche dar. Die anderen Teile des Services sind aufwändig mit vielfältigen Landschaftsmotiven bemalt. Ständig ausgestellt sind zahlreiche Exponate, die den Wandel der feinen Tafelkultur vom Barock bis in die Moderne zeigen. Besonders verführerisch ist übrigens der Manufaktur Werksverkauf. Hier können die vielfach mit Designpreisen bedachten modernen Gestaltungen der Porzellanmanufaktur neben attraktiven Accessoires rund um die Tafel auch erworben werden. Wie das feine Porzellan hergestellt und dekoriert wird, wird in der Besucherwerkstatt eindrucksvoll demonstriert. Alle zwei Jahre öffnet die Porzellanmanufaktur ihre Tore und gewährt direkte Einblicke in die Herstellung des „Weißen Goldes von der Weser“.
Wer sich von der Tafelkultur vergangener Zeiten anregen lassen möchte oder ein Faible für feine Lebensart hat, kommt auf dieser Entdeckungsreise auf seine Kosten.
ARGE Schlösser:
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