Vincent Willem van Gogh – wegweisende Bilder eines rastlosen Malers

Vincent van Gogh (1853 – 1890) gilt aus gutem Grund als Vorreiter der modernen Malerei. Sein Stil ist mit seinem teils großflächigen Farbauftrag und der nur angedeuteten Darstellung von Natur und Menschen ganz eindeutig noch dem Impressionismus verhaftet. Zugleich sind durchaus auch bereits expressionistische Züge zu erkennen. Als stets rastloser Mensch, der keinerlei Kompromisse einging und damit oft aneckte, schuf er mehr als 1 000 Zeichnungen und fast 900 Bilder – alle aus seinem letzten Lebensjahrzehnt. Diese ungeheure Produktivität ist auf einen enormen Tatendrang zurückzuführen, der ihm selbst indessen keinerlei Ruhm und auch nur wenig Geld einbrachte. Erst 1890, in seinem letzten Jahr, gelangten einige seiner Gemälde in Ausstellungen und waren sogar recht erfolgreich. Vor allem aber festigten sie seinen Ruf als avantgardistischer Künstler, was seine fortschrittlich gesonnenen Kollegen wiederum zur Nachahmung inspirierte.

Van Gogh lebte an vielen verschiedenen Orten, konnte es aber nie lange an einem aushalten. Manchmal langweilte ihn schon bald die Umgebung, was indessen seltener vorkam. Viel häufiger geriet er mit seinen Mitmenschen aneinander. Denn van Gogh fühlte sich stets attackiert und persönlich angegriffen. Auf sein Werk hatten diese Rastlosigkeit und die Nähe zum Eigenbrötler indessen enormen Einfluss. Die Niederschläge in seinen Bildern sind es, die uns heute so faszinieren.

Van Gogh hat niemals eine Kunstakademie besucht. Vielmehr brachte er sich die Techniken weitgehend selbst bei, indem er zunächst alte Meister, insbesondere Frans Hals und Rembrandt, kopierte, wobei er deren Stil dann in eigener Weise interpretierte und ausformte. Die Zeit von 1880 bis 1885 verlebte er in Brüssel und Holland und übernahm in diesen Jahren die vorwiegend dunklen Farbtöne, die dicke und deutlich sichtbare Pinselführung sowie den Verzicht auf Details, die dem Gesamteindruck weichen mussten. Sein bedeutendstes Werk dieser Phase ist Die Kartoffelesser, in das er nicht nur viel Herzblut wegen der Darstellung des einfachen, fast ärmlichen Lebens legte, sondern auch mit großem Aufwand die Bauernfamilie als Gesamtheit gruppierte. Von solch aufwendigen Studien nahm er später Abstand.

Als Wendepunkt von van Goghs Malweise dürfen die folgenden beiden Jahre gelten, die er vorwiegend in Paris verbrachte. Dort übernahm er die Maltechniken der Impressionisten. Die Hinwendung zu helleren und auch kräftigeren Farben ist nur einer der Gesichtspunkte. Zudem begann die zarte, teils auch gestrichelte Pinselführung. Daneben experimentierte van Gogh mit den inzwischen in Europa bekannten japanischen Holzschnitten, von denen viele Elemente in seine Bilder einflossen. Winzig kleine Menschen in weiten Landschaften, überraschende Perspektiven sowie den Verzicht auf Schatten schätzte van Gogh damals und in den Folgejahren sehr. Da er sich selbst als ungeliebten Außenseiter sah, sind seine Bilder auch als die Abkehr von der geltenden Norm anzusehen.

Die 16 Monate, die van Gogh ab 1888 im südfranzösischen Arles lebte, gelten als die wichtigsten seiner Schaffenszeit. Denn hier vervollkommnete er seine Techniken und war zudem ganz besonders produktiv. In der mediterranen Gegend faszinierten ihn die eigenwilligen und fröhlich-frischen Farben der Natur, die er indessen oftmals in der Wiedergabe übertrieb. So wichtig diese Zeit aus heutiger Sicht und für den aktuellen Kunstmarkt ist – der Maler selbst fühlte sich auch in Arles nicht heimisch. Schließlich gelangte er in die Nervenheilanstalt in Saint-Remy; die Landschaftsbilder dieser Phase sind Ausdruck seiner vermeintlichen Bedeutungslosigkeit sowie seiner Sehnsucht nach Harmonie und Geborgenheit.

Dem Maler lag stets daran, nicht bestimmte Gegenstände oder Landschaften genau abzubilden. Vielmehr wollte er die davon ausgehenden Stimmungen einfangen. Mehr noch: Van Goghs Bilder drücken ebenfalls die ureigensten Empfindungen aus, die eine bestimmte Szene auf ihn ausübte. Manche davon wie etwa die brennende oder die erloschene Kerze für Leben beziehungsweise Tod sind bekannte Symbole. Andere waren nur dem Maler selbst bekannt und sind es den heutigen Betrachtern vor dem Hintergrund seiner bewegten Vita.

Van Goghs Bilder
sind auch deshalb einzigartig, weil sie zwar keineswegs der abstrakten Malerei zuzuordnen sind, aber dennoch leicht aufgelöste Formen darstellen. Die Eindrücke, die eine bestimmte Szene auf den Maler ausübte, kommen in veränderten oder schematischen Darstellungen der Umrisse zur Geltung, vor allem aber in einer übersteigerten Farbgebung. Vielfach nutzte er auch die Gegensätze der Komplementärfarben, die seinem zerrissenen Inneren entgegenkamen.