Der Präsident des Bundesverbandes deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), Jürgen Fenske, hat sich gegen die Forderung der Piratenpartei und einiger Berliner Politiker nach einem Nulltarif im öffentlichen Nahverkehr ausgesprochen. Das sei „eine absurde Idee“, sagte Fenske dem „Handelsblatt“ (Montagausgabe). „Über Nacht fehlen dem Nahverkehr zwölf Milliarden Euro. Wer soll die übernehmen? Der Steuerzahler? Dann haben wir wieder die Behörden-Bahn. Das will doch niemand.“
Die öffentlichen Verkehrsunternehmen kämpfen ohnehin schon jetzt gegen wachsende Defizite und sinkenden staatlichen Zuschüssen. Pro Jahr brauchen die Unternehmen 1,9 Milliarden Euro, bekommen aber nur 1,3 Milliarden vor allem aus Berlin. Der Mangel an Geld führt zu einem wachsenden Investitionsstau. Nach Berechnungen der Zeitung konnten bis heute Ersatzinvestitionen von mehr als 3,6 Milliarden Euro für veraltete Bahnen und Busse sowie in marode Schienenstrecken nicht vorgenommen werden. Bund, Länder und Gemeinden verhandeln schon seit Jahren ohne konkretes Ergebnis über neue Finanzierungsmodelle. Allein in Nordrhein-Westfalen, dem größten Bundesland mit den meisten U-Bahnen und Straßenbahnnetzen, gibt es für rund 800 Millionen Euro Investitionsvolumen bis zum Jahr 2016 keine Finanzierungsbasis. Das ergab eine noch unveröffentlichte Studie der Beratungsfirma Intraplan im Auftrag des VDV. Laut Studie brauchen die großen Verkehrsbetriebe in NRW für die Sanierung ihrer U-Bahn- und Straßenbahnsysteme etwa 1,1 Milliarden Euro. VDV-Präsident Fenske sieht angesichts knapper Kassen auch ein Ende der „Gießkannenförderung“ des öffentlichen Nahverkehrs durch den Staat. „Wir werden uns in der Zukunft auf die wesentlichen Vorhaben konzentrieren müssen. Brauchen wir den Ausbau der völlig überlasteten Bahnverbindung Köln-Düsseldorf, den seit zehn Jahren geplanten S-Bahntunnel in München oder brauchen wir mehr Busverkehr im ländlichen Raum? Wir müssen ganz genau hinsehen, wo welcher Bedarf ist.“