OLG Schleswig urteilt über auftragslose Zusatzleistungen
In der Baupraxis kein unbekanntes Problem: Das Bauunternehmen führt geänderte oder zusätzliche Leistungen aus, für die der Bauherr keinen ausdrücklichen Auftrag erteilt hat, und fordert dafür eine gesonderte Vergütung. Ob und auf welcher Basis der Bauherr für diese Leistungen dann zahlen muss, darüber hatte das OLG Schleswig zu befinden (3 U 92/09 vom 29. Juni 2010).
Der Fall
Im vorliegenden Fall beauftragte ein Immobilieneigentümer ein Bauunternehmen damit, auf seinem Flachdachbungalow nachträglich ein Giebeldach zu errichten. Aufgrund zusätzlicher Leistungen und Massenmehrungen stiegen die Kosten in die Höhe. Das Unternehmen stellte die Verkleidungsarbeiten statt mit dem Ursprungspreis von rund 12.000 Euro, zu dem der Bauherr das Unternehmen beauftragt hatte, mit rund 22.000 Euro in Rechnung. Der Bauherr verweigerte die Zahlung des Mehrpreises mit der Begründung, die Zusatzarbeiten nicht in Auftrag gegeben zu haben. Dagegen wehrte sich das Unternehmen und klagte.
Das Urteil
Ergänzte Architektenpläne wiesen zwar zusätzliche Verkleidungen an der Traufseite und an den Dachüberständen der Giebelseite auf, jedoch konnte die Beauftragung des Unternehmers hinsichtlich der Zusatzleistungen nicht sicher festgestellt werden. Trotzdem gab das OLG Schleswig dem Bauunternehmen hinsichtlich seines Anspruchs auf Vergütung der Leistungen statt. Die Begründung: Gemäß § 2 Nr. 8 Abs. 2 Satz 1 VOB/B ist eine nicht in Auftrag gegebene erbrachte Leistung auch dann zu vergüten, wenn der Auftraggeber sie nachträglich anerkennt. Dafür genüge es, wenn der Auftraggeber durch sein tatsächliches Verhalten sein Einverständnis mit den Leistungen zum Ausdruck bringe. Nach Auffassung des Gerichts war dies im vorliegenden Fall gegeben, weil der Immobilieneigentümer die erweiterte Ausführung seines Auftrags bemerkt, geduldet und somit akzeptiert hatte. Das Bewusstsein, für die zusätzlichen Leistungen zahlen zu müssen, sei dabei nicht erforderlich gewesen. Bei der Annahme, die geänderte Leistung sei im Ursprungspreis mitabgegolten, handele es sich um einen unbeachtlichen Rechtsirrtum – dieser berühre aber nicht die Wirkung des Anerkenntnisses. Nach § 2 Nr. 8 Abs. 2 Satz 2 VOB/B gelte zudem: Nimmt der Auftragnehmer selbst an, dass es sich bei der Leistung um eine aus dem Ursprungsauftrag geschuldete handelt, spricht dies für die Notwendigkeit der Leistung und entstehe somit ein Zusatzvergütungsanspruch für den Auftragnehmer. Dessen Höhe sei genau so zu ermitteln, als wenn der Auftragnehmer einen Nachtragsauftrag erteilt habe.
Folgen des Urteils
Dieses Urteil zeigt Unternehmen Wege auf, ihren Vergütungsanspruch für Zusatzleistungen zu begründen. Für Bauherren ergibt sich daraus, dass sie die Grundlagen und Folgen von auftragslosen Zusatzleistungen kennen sollten. Bezüglich der Auftragserteilung heißt dies auf Details zu achten: Der Bauherr und der ihn beratende Architekt sollten überprüfen, welche Leistungen genau der Ursprungsauftrag erfassen und welche Arbeiten der Bauunternehmer abgeändert oder zusätzlich ausführen soll. Diese Arbeiten bedeuten dann für den Auftraggeber zusätzliche Kosten.
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