Ruhrverband und AWWR stellen 39. Auflage des Ruhrgüteberichts in Essen vor
„Inhaltlich anspruchsvoll“, „transparent und nachvollziehbar“, „erreicht nicht nur die Fachwelt, sondern auch die breite Öffentlichkeit“: Als die Jury der internationalen Vereinigung von Wasserfachleuten (IWA) dem Ruhrgütebericht vor zwei Jahren den renommierten Marketing and Communications Award zuerkannte, sparte sie in ihrer Begründung nicht mit Lob. Auch der jüngste Ruhrgütebericht, den der Ruhrverband und die Arbeitsgemeinschaft der Wasserwerke an der Ruhr (AWWR) am 28. September 2012 auf einer gemeinsamen Pressekonferenz in Essen vorstellten, wird diesem Anspruch gerecht. Auf mehr als 200 Seiten dokumentiert der inzwischen im 39. Jahr erscheinende Bericht allgemeinverständlich und mit hoher Datenfülle die Qualitätsentwicklung der Ruhr und ihrer Nebengewässer.
Am 12. September 2012 titelte die Bild-Zeitung „Das Revier ist wieder Angel-Paradies“, und die im Artikel zitierte Biologin Dr. Anika Rohde vom Landesfischereiverband Westfalen und Lippe e.V. wusste auch warum: „Weil unsere Gewässer immer sauberer werden.“ Ein erfreuliches Ergebnis, das im Ruhrgütebericht analytisch belegt wird: An 96 Prozent der im Jahr 2011 untersuchten Probenahmestellen wies die Ruhr im Hinblick auf die Saprobie, also die Belastung des Gewässers mit biologisch abbaubaren organischen Stoffen, einen „guten“ bis „sehr guten“ Zustand auf. „Zurückzuführen ist dies auch auf den überdurchschnittlich guten Stickstoffabbau in den Kläranlagen des Ruhrverbands“, sagte Prof. Harro Bode, Vorstandsvorsitzender des Ruhrverbands, bei der Vorstellung des aktuellen Berichts. Hinsichtlich der so genannten allge-meinen Degradation, die Aufschluss darüber gibt, ob eine Gewässerstruktur einen guten Lebens-raum für gewässertypische Kleinlebewesen bietet, ist die Bewertung allerdings nicht ganz so positiv. Bei rund der Hälfte der Probenahmestellen liegt ein „mäßiger“ oder „unbefriedigender“, in wenigen Fällen auch ein „schlechter“ Zustand vor. Da der Grund hierfür nicht in der Wasserqualität, sondern vielmehr in veränderten Uferstrukturen, begradigten Flussläufen, ausgebauten Gewässersohlen oder Querbauwerken liegt, ist davon auszugehen, dass die zahlreichen im Zuge der europäischen Wasserrahmenrichtlinie angestoßenen Projekte in den kommenden Jahren Verbesserungen nach sich ziehen werden. Bei den ihm gehörenden Gewässerabschnitten hat der Ruhrverband etliche Verbesserungen auf den Weg gebracht und bietet auch den Kommunen seine fachliche Unterstützung bei ähnlich gelagerten Renaturierungen in ihrem Zuständigkeitsbereich an. „Der Ruhrverband unternimmt große Anstrengungen, um die Artenvielfalt und Lebensbedingungen vieler Wasserlebewesen zu verbessern“, erklärt Prof. Harro Bode.
Im Jahr 2011 hat der Ruhrverband insgesamt 11.000 Wasser- und Schlammproben aus Fließgewässern, Talsperren, Kläranlagen und Industriebetrieben entnommen und in Summe daran 220.000 Analysen vorgenommen. Einen Schwerpunkt bildet dabei die Analyse von Mikroverunreinigungen, bei der 60 unterschiedliche Untersuchungsmethoden angewendet werden, mit denen sich 400 unterschiedliche Einzelstoffe bestimmen lassen. Hierbei bestätigte sich auch im Jahr 2011 die Tendenz abnehmender PFT-Konzentrationen in Ruhr und Möhne: Die PFT-Frachten an der Ruhrmündung sind gegenüber dem Jahr 2007 um 71 Prozent gesunken. Insgesamt wird den oberflächengewässerrelevanten organischen Mikroverunreini-gungen in der Fachöffentlichkeit spätestens seit dem Bekanntwerden des PFT-Skandals, bei dem mit PFT verseuchte Industrieschlämme illegal auf Äcker im Sauerland ausgebracht wurden, einige Bedeutung beigemessen. Unter welchen Voraussetzungen eine weitergehende Entfernung von organischen Mikroverunreinigungen aus dem Abwasser möglich sein wird, untersucht der Ruhrverband derzeit im Rahmen eines Forschungsvorhabens des Landes Nordrhein-Westfalen auf seiner Kläranlage in Schwerte. Die Versuche sollen Mitte 2013 abgeschlossen werden.
Ebenfalls intensiv diskutiert wurde in den vergangenen Monaten das so genannte Fracking, also die Ausbeutung unkonventioneller Erdgasvorkommen durch das Einpressen von Chemikaliengemischen in den Untergrund. Dass das aus dem Ruhreinzugsgebiet gewonnene Trinkwasser für 4,6 Millionen Menschen – anders als in anderen Flusseinzugsgebieten – zum überwiegenden Teil aus Oberflächengewässern wie Talsperren und Flüssen gewonnen wird, stellt eine Sonder-situation dar, die einen besonderen Schutz des Ruhreinzugsgebietes erforderlich macht. Im Un-terlauf der Ruhr befinden sich zahlreiche große Wasserwerke, die in gewisser Weise von der Rohwasserqualität der Ruhr abhängig sind. Zum Schutz der Trinkwasserversorgung aus diesen Wasserwerken ist, im Hinblick auf die Gefahren des Frackings, ein lokaler Schutz des Grundwassers durch die Ausweisung von Wasserschutzgebieten nicht ausreichend. Ein umfassender Schutz kann nur erreicht werden, wenn das gesamte Ruhreinzugsgebiet von der Gewinnung unkonventionellen Erdgases durch Fracking ausgeschlossen wird. Nur so ist sicher zu verhindern, dass mit Chemikalien und Schwermetallen belastete Frackwässer ins Oberflächengewässer gelangen und die Trinkwasseraufbereitung in gegebenenfalls auch weiter vom Eintragsort entfernt gelegenen Wasserwerken an der Ruhr gefährden können.
Den ökologischen Zustand seiner Talsperren verbessert der Ruhrverband unter anderem durch ein gezieltes Fischereimanagement. Mit Erfolg: Nach dem Trophiesystem, das den Zustand von Stillgewässern charakterisiert, halten alle Talsperren sicher oligo- oder mesotrophe Verhältnisse ein. Erfolge im Bereich der Fischzucht verzeichnet auch ein vom nordrhein-westfälischen Umweltministerium finanziertes Kooperationsprojekt des Ruhrverbands, des Landesfischereiver-bands Westfalen und Lippe e.V. und der Biologischen Station des Kreises Soest, das sich zur Aufgabe gesetzt hat, die vom Aussterben bedrohte Quappe in den hiesigen Gewässern wieder anzusiedeln. Seit 2009 wurden in der Fischzuchtanlage des Ruhrverbands an der Möhnetalsperre mehrere Millionen Quappen gezüchtet und anschließend in den Einzugsgebieten der Ruhr sowie der Lippe ausgesetzt. Gewässer, in denen größere Artenvielfalt heimisch ist, können Umweltbelastungen besser verkraften als artenarme Systeme. Nachhaltiger Artenschutz dient daher langfristig auch der Qualitätssicherung der Ressource Wasser.
„Auch im Jahr 2011 konnten die Ruhrwasserwerke die Versorgungsgebiete im Ruhrgebiet, Münsterland und Sauerland wie gewohnt mit qualitativ einwandfreiem Trinkwasser beliefern“, sagte Dr. Christoph Donner, stellvertretender Vorsitzender des Präsidiums der AWWR, bei der Vorstellung des Ruhrgüteberichts. Hierzu waren vielfältige analytische Untersuchungen erforderlich, die durch den Ruhrverband und die Wasserwerke in den Oberflächengewässern, den Grundwasserleitern und in den unterschiedlichen Stufen der Trinkwasseraufbereitung durchge-führt wurden. „Diese zahlreichen Wasseranalysen ermöglichten eine gesicherte Erfassung und Bewertung der qualitativen Verhältnisse und zeigen die Ausgangslage auf für viele umweltver-bessernde Maßnahmen.“ Die Routineuntersuchungen des Ruhrverbands und der Wasserwerke machen die Ruhr zu einem der am besten überwachten Gewässer in Nordrhein-Westfalen. Er-gänzend betreiben das Land NRW, der Ruhrverband und die Ruhrwasserwerke gemeinsam Wassergütemessstationen mit Biotestverfahren, die eine kontinuierliche Überwachung der Ge-wässerbeschaffenheit ermöglichen. Der behördliche Warn- und Informationsplan Ruhr (WIP Ruhr) wurde als Folge einer neuen Umweltalarmrichtlinie aufgestellt und 2011 mit dem bereits seit 1986 bestehenden Meldeplan der Ruhrwasserwerke verzahnt, um einen zeitnahen Informationsaustausch über Gewässerverunreinigungen zwischen den Landesbehörden, dem Ruhrverband und den Wasserwerken zu gewährleisten.
Als Vorsorgemaßnahme gegenüber nicht vorhersehbaren mikrobiologischen oder chemischen Verunreinigungen haben sich die Wasserwerksbetreiber entschlossen, die bisherige Wasseraufbereitung in den Ruhrwasserwerken in den nächsten Jahren durch zusätzliche Verfahrensstufen zu ergänzen. Die technischen Konzepte sind mit den Aufsichtsbehörden abgestimmt und z. T. bereits umgesetzt. Bis 2018 sollen diese großen Investitionsmaßnahmen mit einem Gesamtvolumen von rund 300 Millionen Euro abgeschlossen sein. Diese Umsetzung ist ein Element des 7-Punkte-Programms „Reine Ruhr“ des Ministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Landwirtschaft, Natur- und Verbraucherschutz des Landes Nordrhein-Westfalen, welches durch weitere Sicherungsmaßnahmen im Ruhreinzugsgebiet ergänzt wird, z.B. durch ein behördlich geführtes Risikokataster und Anstrengungen zur Vermeidung von Einträgen an der Quelle.
Der aktuelle Ruhrgütebericht steht unter www.ruhrverband.de/presse/publikationen/wissen zum Download bereit.