Der angeschlagene Stahlkonzern ThyssenKrupp will nach Informationen der „Süddeutschen Zeitung“ (Wochenendausgabe) seine Kosten in den nächsten drei Jahren um zwei Milliarden Euro senken. Auf diese Weise will Vorstandschef Heinrich Hiesinger den Konzern nach dem Desaster bei den Stahlwerken in den USA und Brasilien als Ganzes erhalten. Ob Hiesingers Pläne aufgehen, hängt stark davon ab, wie groß das Debakel bei den Stahlwerken ausfällt.
Mit sieben Milliarden Euro werden die beiden Kolosse derzeit noch in den Büchern bewertet. Der Verkauf dauert deutlich länger als erhofft. Intern hat man verschiedene Szenarien mit Erlösen bis zu vier Milliarden Euro durchrechnen lassen. Das bedeutet, im abgelaufenen Geschäftsjahr muss Thyssen-Krupp voraussichtlich eine Wertberichtigung bis zu drei Milliarden Euro verkraften. Der Jahresabschluss steht laut Konzern noch nicht fest. Ein großer Arbeitsplatz-Abbau sei bei dem Sparpaket nicht vorgesehen, heißt es in Konzernkreisen. Durch Streichungen oder Verkäufe von Unternehmensteilen ist die Zahl der Beschäftigten zwischen Mitte 2011 und Mitte 2012 bereits von 171000 auf 155500 gesunken. Das sind fast zehn Prozent weniger Mitarbeiter. Hiesinger will aber nicht nur einsparen, sondern im nächsten Jahr fast zwei Milliarden Euro investieren, vor allem in Forschung und Entwicklung, um die gut laufenden Geschäfte auszubauen. Etwa in den Sparten Aufzüge, Industrieanlagen und Marine. Mehr Aufträge, mehr Umsätze, mehr Gewinne, lautet das Ziel; vor allem beim Anlagenbau. Als „Strategie nach vorne“ wird das in Unternehmenskreisen beschrieben. Der Vorstandschef wolle Thyssen-Krupp gerade „nicht kaputt sparen“, sondern mit einer Mischung aus Kostensenkung und Wachstum in seiner jetzigen Form erhalten. Würde der Konzern auseinanderbrechen, dann wäre das auch ein heftiger Rückschlag für den Industriestandort Deutschland. Neu gestellt wird bei Thyssen-Krupp die Frage nach der Verantwortung des alten Vorstands um Ex-Chef Ekkehard Schulz für das Desaster. Frühere Untersuchungen hatten zu dem Ergebnis geführt, man könne Schulz und seinen Kollegen keine Pflichtverletzungen vorwerfen und insofern auch keinen Schadenersatz verlangen. Jetzt hat Aufsichtsratschef Gerhard Cromme auflisten lassen, was das Kontrollgremium in all den Jahren getan hat. Sein Ergebnis: Die Aufsichtsräte hätten kritisch nachgefragt, hätten aber vom Vorstand offenbar nicht immer alles rechtzeitig gesagt bekommen. Deshalb wird von der Anwaltskanzlei Hengeler Müller erneut geprüft, ob der alte Vorstand zur Rechenschaft gezogen werden müsse. In Konzernkreisen wird dennoch nach der Vorlage der Bilanz im Dezember und beim Aktionärstreffen im Januar viel Ärger für Cromme erwartet. Er ist seit der Fusion von Thyssen und Krupp Ende der neunziger Jahre der starke Mann im Konzern. Und Crommes rechte Hand im Vorstand, Jürgen Claassen, steht nach spendierten Reisen für Journalisten in der Kritik. Jetzt wird die Praxis bei Reisen des Vorstands mit Presse und Kunden seit 2007 daraufhin untersucht, ob es zu Verstößen gegen gute Geschäftssitten kam.