Kurz vor dem Start von drei Lohnrunden hat der Vorsitzende des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Wolfgang Franz, die Tarifpartner zur Mäßigung aufgefordert. Die beiden vergangenen „fetten“ Jahre seien erst einmal vorbei, sagte Franz der „Welt“. Die Tarifvertragsparteien müssten ihren branchenspezifischen Verteilungsspielraum ausrechnen, aber zudem berücksichtigen, dass in diesem Jahr in den meisten Branchen „eine merkliche Konjunkturabschwächung stattfindet“.
Der Sachverständigenrat gehe davon aus, dass es gesamtwirtschaftlich ein Wachstum in einer Größenordnung von nur 0,5 Prozent geben wird. Des weiteren, so Franz, „sollten die Tarifvertragsparteien daran denken, dass wir immer noch 2,9 Millionen Arbeitslose haben, das heißt, es ist immer noch ein gewisser Beitrag der Tarifvertragsparteien zur Schaffung neuer wettbewerbsfähiger Arbeitsplätze erforderlich.“ Aus gesamtwirtschaftlicher Sicht, also im Durchschnitt aller Branchen, beläuft sich Franz zufolge der Verteilungsspielraum in diesem Jahr in der Größenordnung von 2,5 Prozent. Er setze sich zusammen aus dem Produktivitätsfortschritt von etwa einem Prozent plus der Preissteigerungsrate des Bruttoinlandsproduktes in Höhe von 1,4 Prozent. Eine Nachschlagsdiskussion hält der Wirtschaftsweise für falsch. Das sei „immer misslich, denn die seinerzeitig vereinbarten Einkommen sind bereits verteilt. Außerdem muss man berücksichtigen, dass in der Krise 2009 vielfach rein rechnerisch eigentlich Lohnsenkungen erforderlich gewesen wären, was die Unternehmen aus guten Gründen nicht gemacht haben“, sagte Franz. Die jahrelangen moderaten Lohnzuwächse in Deutschland hätten die Arbeitsplätze sicherer und die Unternehmen wettbewerbsfähiger gemacht, sagte Franz. Auch die Binnennachfrage sei dadurch angekurbelt worden: Der Konsum steige mit der Lohnsumme, die sich aber wiederum auch mit der Zahl der Arbeitsplätze und nicht nur über Lohnerhöhungen erhöhe. „Ich gönne den Arbeitnehmern Lohnzuwächse, keine Frage. Aber die Tarifabschlüsse dürfen nicht überziehen, indem sie Arbeitsplätze gefährden, im Gegenteil, sie müssen zu weiteren Beschäftigungsgewinnen beitragen“, sagt Franz.