Die Atomenergie wird 2023 ihr Ende finden und den aufstrebenden regenerativen Energieträgern Platz machen. Wer nun glaubt, dass Deutschland mit radioaktiven Stoffen dann nichts mehr am Hut hat, wird enttäuscht werden.
Wenn in Deutschland über den Transport von radioaktiven Stoffen gesprochen wird, dann fallen vielen Bürgern die leidigen Castor-Transporte nach Gorleben ein. Begleitet von einem riesigen medialen Echo steht gefühlt halb Deutschland auf den Beinen und unzählige Polizisten schützen den Schienentransport der hochradioaktiven, abgebrannten Brennelemente. Immer wieder formieren sich Widerstände. Ob besorgter Bürger oder engagierter Umweltaktivist – der Transport soll gestoppt werden, oder sich zumindest verzögern.
Derzeit finden keine weiteren Transporte statt, obwohl in den Wiederaufbereitungslagern La Hague und Sellafield noch Castoren stehen, die auf ihre Rückweise warten. Doch nach erneuten Endlagerdiskussionen und Zuständigkeitsschiebereien zwischen Bund, Ländern und Energieversorgern, ist Gorleben als zentrales Endlager vom Tisch, und auch als Zwischenlager soll der Standort entlastet werden. Egal wohin Castoren künftig rollen werden, sie werden für erneuten Ärger sorgen. Immerhin: Deutschland entledigt sich der problematischen atomaren Energieversorgung und damit werden auch die Castortransporte irgendwann nicht mehr nötig sein.
Tägliche Transporte radioaktiver Stoffe – auch in Zukunft
Also wird sich Deutschland komplett strahlenfrei geben können? Wohl kaum. Der Transport von Castoren ist oftmals nur ein kleiner Teil von Transportmaßnahmen, bei denen radioaktive Stoffe von A nach B gebracht werden. Jährlich gibt es in Deutschland bis zu 1000 solcher Transporte. Das bedeutet, dass rein rechnerisch mehr als zweimal täglich strahlendes Gefahrengut über unsere Straßen und Schienen rollt. Dabei werden oftmals Sicherheitskräfte, wie z.B. die Feuerwehr, vorher nicht darüber informiert.
Zugegeben, die Inhalte der Behälter sind längst nicht so radioaktiv wie die oft kritisierten Castor-Transporte. Der Inhalt besteht zumeist aus Urandioxid, Uranoxid sowie Uranhexaflourid. Entweder sie kommen als Konzentrat (das sogenannte „Yellow Cake“) oder wie Uranhexaflourid in Gastanks aus der ganzen Welt. In Deutschland sind für diese Stoffe zwei Orte zentrale Anlaufstellen: die Brennelementefabrik in Lingen und die Urananreicherungsanlage in Gronau. In Lingen werden Brennstäbe für Leichtwasserreaktoren hergestellt. In Gronau wird das Uranhexaflourid verarbeitet, um das darin gebundene Uran anzureichern. Diese beiden Standorte produzieren dabei nicht nur für die deutschen Kernkraftwerke, sondern auch für den internationalen Markt. Daher werden die Transporte auch nach dem kompletten Ausstieg aus der Kernenergie weitergehen. Die Energiewende betrifft Deutschlands Energieversorgung, nicht die Standorte Lingen und Gronau.
Somit werden wohl weiterhin jeden Tag irgendwo die gefährlichen Stoffe durch Deutschland transportiert, ohne dass wir davon etwas mitbekommen. Achten Sie also bei der nächsten Autobahnfahrt auf die auf LKW geladenen Container, ob diese ein Atom-Symbol tragen.
Vor allem Uranhexaflourid gefährlich – Beinahekatastrophe im Hamburger Hafen
Auch wenn abgebrannte Brennelemente mehr strahlen, gefährlich sind die Uran-Verbindungen dennoch. Gerade das Uranhexaflourid kann unter Umständen für wirkliche Gefahr sorgen. Es ist eine äußerst aggressive, radioaktive Substanz, die fast jeden Stoff angreifen kann und besonders heftig mit Wasser reagiert. Selbst das in der Luft gebundene Wasser wird angegriffen und es entsteht das wiederum hochgiftige Fluorwasserstoff. Für den Menschen bedeuten schon geringe Mengen einen leidvollen Tod.
Wie brisant der Umgang mit diesem Stoff sein kann, zeigt eine Beinahe-Katastrophe am 01. März 2013 im Hamburger Hafen. In der zweitgrößten Stadt Deutschlands, die auch zentraler Umschlagplatz für radioaktiven Stoffe ist, fing der Frachter „Atlantic Cartier“ Feuer. Der Frachter hatte 20 Tonnen der hochgefährlichen Substanz an Bord, zusätzlich noch weiteres Gefahrengut wie Ethanol, Explosivstoffe und Raketentreibstoff. Die Gefahr lag darin, dass die Gas-Behälter unter der Hitze aufreißen könnten. Auch das Löschen mit Wasser wäre aufgrund der zu erwartenden Reaktion undenkbar. Auch das alternative Löschmittel CO2 war in ganz Norddeutschland zum Zeitpunkt nicht zu besorgen. Somit dauerte es bis das Uranhexaflourid von Bord geholt wurde und die Gefahr gebannt worden ist. Nicht mal einen Kilometer vom Brandherd entfernt, waren tausende Bürger zum Kirchenfest versammelt.
Quellen:
TAZ
ZDF
Rheinische Post
Deutschlandfunk
Zeit
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