Coach und Beraterin Johanna Dahm dokumentiert anhand eines Realfalls, wie das gehen kann. Auch die Autorin selbst zählt zu den Betroffenen.
Mehr als 2,6 Millionen Babys kommen weltweit pro Jahr tot zur Welt, im Schnitt also etwa 7000 am Tag. Nur 20 Prozent sind auf einen Schwangerschaftsabbruch – auf medizinischem oder natürlichem Wege binnen der ersten 12 Wochen – zurückzuführen. Ab der 22. Schwangerschaftswoche und später sind es Fehlgeburten oder der plötzliche Kindstod, die die übrigen 80 Prozent treffen – die Ursachen bleiben häufig ungewiss. Allein in den USA sterben jedes Jahr mehr als 26 000 Föten, also mindestens 1 auf 150 Gebärende, in Frankreich sind es 4 von 1000. In Deutschland sind es immerhin 2,4 Totgeburten auf 1000. Tendenz: steigend.
Krankenhäuser und Gynäkologen sind überfordert: Auf 25 Prozent aller Fehlgeburten beim ersten Kind folgt eine zweite kritische Geburt oder sogar Fehlgeburt. Ist die Mutter über 34 Jahre und/oder übergewichtig bzw.
Raucherin, steigt das Risiko auf ca. 60 Prozent. Lohnt sich da ein zweiter Versuch? Die Fragen vieler verzweifelter, oft dauerhaft kinderloser Paare bleiben offen, sind die Kompetenzen in der Fachabteilungs- und niedergelassenen Gynäkologie durch die Gesundheitsreformen doch ihrer Beratungszeit beschnitten worden. Weder deren 3.7 Sprech-Minuten pro Patient noch die durchschnittlichen 4 Monate, die Betroffene auf einen Therapie-Platz warten, ebnen den Weg zum Trauerspezialisten, derer gibt es viel zu wenige. Trauernde werden umso anfälliger für Folgeerkrankungen, denn es mangelt an spezialisierten Angeboten, die sich dem Ausweg aus der Selbst-aufgabe, der Depression, psychosomatischen Folgeerscheinungen gerade bei Kindstod stellen.
Die große Lücke im Gesundheitssystem reißt auch tiefe Löcher in die Kassen der Arbeitgeber und Krankenkassen: Mehr als 75 Prozent der betroffenen Eltern erkranken unmittelbar, ggf. auf längere Zeit oder verfallen nach kurzem, der Verdrängung dienenden und übertriebenen Arbeitseinsatz dem Burnout mit entsprechender Absenz. Kündigt man Trauernden in Langzeitkrankheit etwa aufgrund von Reorganisation ihren Arbeitsplatz, verlieren sie zweifach an Status, sind in Schwangerschaft und Berufstätigkeit und damit in der Gesellschaft gescheitert. Motivierend gemeinte, zumeist jedoch hilflose Kommentare von Verwandten und Freunden – „nur eine Laune der Natur“, „Beim nächsten Mal klappt das!“ – überlassen die Betroffenen dann einzig dem negativen Leistungsdruck des neuen Schwangerschaftsversuches. Doch mutiert der einstige Kinderwunsch nun zum Mittel zum Zweck: zur Re-Integration und Konkurrenzfähigkeit in Arbeit und Gesellschaft.
Anhand eines realen Coaching-Verlaufs und dessen feingliedriger Untersuchung zeigt das Buch der Autorin „Wenn Eltern trauern. Coaching zur Bewältigung von Trauerprozessen bei Kindesverlust“ solche sozialen und kulturellen Zusammenhänge. Die Autorin veranschaulicht, wie trauerbegleitendes Coaching Eltern sowohl einzeln als auch im Paar zur Selbst- und Lebensfindung verhilft. Methoden und deren Wirkungsweisen, Arbeits-Aufgaben für Betroffene und auch Angehörige ebenso wie Arbeitskollegen, aber auch geschlechtsspezifische Aspekte der Trauer werden dazu an die Hand gegeben, um den Bezug zum individuellen Verlust des Lesers bestmöglich herzustellen.
Autorin und Buchtitel
Johanna Dahm-Agnew
Wenn Eltern trauern. Coaching zur Bewältigung von Trauerprozessen bei Kindesverlust.
BoD Verlag, Norderstedt 2013
ISBN: 978-3-8482-6013-3
124 S m. s/w Abbildungen.
Hardcover, Fadenbindung
Ladenpreis 24,90 €
Auch als eBock erhältlich, 18.90 €
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Interview mit Johanna Dahm
Verwendete Quellen u.a.
* DEGS – Studien zur Gesundheit der Erwachsenen in Deutschland: Hans-Ulrich Wittchen & Frank Jacobi, Die häufigsten psychischen Störungen. Dresden 2012
* DAK-Gesundheitsreport 2009. Analyse der Arbeitsunfähigkeitsdaten.
* Männer-Gesundheitsbericht 2010, hrsg. v. Manfred Buhl, Securitas Deutschland Holding GmbH.
* Statistisches Bundesamt Wiesbaden, Fachserie 12, Reihe 3, 2011: Schwangerschaftsabbrüche.
* Magazin Der Spiegel, 14.4.2011, Industrienationen. Forscher beklagen hohe Zahl von Totgeburten.
Textdaten:
* Wörter: 0.538
* Zeichen o. LZ: 2.861
* Zeichen m. LZ: 3.316