Die Bundesregierung sieht sich dem Vorwurf ausgesetzt, die Bürger über den wahren Umfang des neuen Hilfsprogramms für Griechenland zu täuschen. Der haushaltspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Carsten Schneider, sagte der „Süddeutschen Zeitung“ (Donnerstagausgabe), in den öffentlichen Verlautbarungen der Regierung sei stets davon die Rede, dass das zweite Paket Kredite im Umfang von 130 Milliarden Euro umfasse. Tatsächlich seien es aber 165 Milliarden, da aus dem ersten Programm noch rund 35 Milliarden Euro übrig seien.
Anders als zunächst behauptet verfielen diese nicht, sondern würden ins zweite Paket übernommen. Aus Schneiders Sicht spricht Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) dennoch weiter von 130 Milliarden, da er bei der Bundestagsabstimmung am Montag sonst um eine eigene Mehrheit der Koalition fürchten müsste. „Nun wird versucht, das Volumen durch die Hintertür aufzustocken. Es wird höchste Zeit, dass die Bundeskanzlerin vor dem Bundestag und der Öffentlichkeit die wahren Kosten und Risiken offenlegt“, so Schneider. Tatsächlich hatte ein hoher EU-Diplomat noch vergangene Woche bestätigt, dass die im Mai 2010 beschlossenen bilateralen Hilfskredite der Euro-Länder für Griechenland mit dem neuen Programm abgelöst würden und die verbleibenden 35 Milliarden Euro nicht mehr genutzt werden könnten. Diese Linie galt seit dem Euro-Gipfel im Juli 2010. Die jetzige Kehrtwende erklärt sich offenkundig aus der jüngsten Schuldentragfähigkeitsanalyse von Experten der EU-Kommission, des Internationalen Währungsfonds und der Europäischen Zentralbank – der sogenannten Troika. Demnach benötigt Griechenland bis Ende 2014 Kredite in Höhe von etwa 170 Milliarden Euro. Diese Summe wird mit der jetzigen Addition der Mittel beinahe erreicht. Den Rest steuern die privaten Gläubiger bei. Vertreter der Koalition wiesen Schneiders Kritik zwar zurück, zeigten sich zugleich aber „überrascht“, dass die verbliebenen 35 Milliarden Euro statt über bilaterale Kredite der Euro-Länder nun über den Rettungsfonds EFSF finanziert werden sollten. „Das heißt ja, dass die Mittel des EFSF entsprechend sinken und weniger Geld für andere Dinge zur Verfügung steht“, sagte der Haushaltsexperte der Union, Norbert Barthle, der SZ. Ähnlich äußerten sich auch seine Kollegen Otto Fricke (FDP) und Priska Hinz (Grüne).