Sorgerechtsvollmacht statt Übertragung des Sorgerechts

(DAV). Nach einer konfliktreichen, von schwerwiegenden gegenseitigen Vorwürfen geprägten Trennung ist es für die Eltern oft schwierig, sich über das Sorgerecht für gemeinsame Kinder zu einigen.

Eine Möglichkeit kann dann die Sorgerechtsvollmacht sein.
Nach einer konfliktgeladenen Trennung stritten die Eltern um das Sorgerecht für ihre 2015 geborene Tochter. Seit Juni 2021 fand zwischen Vater und Tochter kein Kontakt mehr statt; das Mädchen lehnte diesen ab. Im Dezember 2022 übertrug das Familienrecht das alleinige Sorgerecht auf die Mutter. Der Vater legte Beschwerde ein.

Es bleibt beim gemeinsamen Sorgerecht, entschied das Oberlandesgericht. Das Familiengericht sei zum damaligen Zeitpunkt zwar zu Recht davon ausgegangen, dass es den Eltern am notwendigen Mindestmaß an Fähigkeit und Bereitschaft fehle, miteinander kindeswohlverträglich zu kommunizieren und zusammenzuarbeiten. Dies sei die Basis für das gemeinsame Sorgerecht.

Aufhebung des gemeinsamen Sorgerechts oder Sorgerechtsvollmacht?
Aufgrund der Entwicklungen im Beschwerdeverfahren könne das Gericht jedoch nicht mehr an dieser Entscheidung festhalten. Der Vater habe ausdrücklich klargestellt, den Lebensmittelpunkt seiner Tochter im Haushalt der Mutter nicht mehr in Frage zu stellen. Außerdem habe er den befristeten Umgangsausschluss akzeptiert und schließlich der Mutter eine umfangreiche Sorgerechtsvollmacht erteilt. Vor diesem Hintergrund lasse sich eine vollständige oder teilweise Aufhebung des gemeinsamen Sorgerechts nicht (mehr) rechtfertigen. Es wäre nicht verhältnismäßig.

Elterliche Sorge: Hauptverantwortung für das Kind durch Vollmacht
Mit der Übertragung der Alleinsorge auf ein Elternteil sei zwangsläufig ein Eingriff in das Elternrecht des anderen Elternteils verbunden. Daher müsse auch die Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen. Sie komme nur dann in Frage, wenn das Kindeswohl nicht durch „mildere Mittel“ sichergestellt werden könne. Ein solches milderes Mittel könne die Bevollmächtigung des einen Elternteils durch den anderen sein. Die Handlungsbefugnisse des Elternteils würden bereits durch eine Vollmacht erweitert. So könne er die wesentlichen Angelegenheiten des Kinds eigenständig regeln. Mit der Vollmacht ist der Elternteil auch ohne Abstimmung mit dem anderen Elternteil ausreichend handlungsfähig und übernimmt die Hauptverantwortung für das Kind. Die Vollmacht ermögliche vor allem, Konflikte in der Kommunikation und Zusammenarbeit mit dem anderen Elternteil weitgehend zu vermeiden.

Auch die Ablehnung der Sorgerechtsvollmacht durch die Mutter stehe dem nicht entgegen. Die Erteilung einer Vollmacht sei eine eigenständige, einseitige Erklärung des Vollmachtgebers, die nicht angenommen werden müsse. Ebenso spräche die ablehnende Haltung der Tochter gegenüber Kontakten zu ihrem Vater nicht dagegen. Dieser Haltung werde durch den befristeten Umgangsausschluss ausreichend Rechnung getragen.

Oberlandesgericht Bremen am 07. September 2023 (AZ: 5 UF 13/23)

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