So einfach kann Leben retten sein

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Bei Alexander Voss und seiner Frau in Stadtlohn (Kreis Borken) geht es ziemlich bunt zu. Da wuseln drei Jungs und zwei Beagle durch die frisch umgebaute Wohnung. Noch mitten in den Renovierungsarbeiten bekommt der 32-Jährige eine Nachricht: Er ist der passende Spender für einen Leukämiepatienten, der dringend eine Stammzelltransplantation benötigt. Während die drei Jungs und Beagle Barney Zuhause bei Opa bleiben, macht sich Alexander Voss mit seiner Frau und Beagle Bruce auf den Weg ins rheinland-pfälzische Birkenfeld. Dortspendet er bei der Stefan-Morsch-Stiftung, Deutschlands erster Stammzellspenderdatei, für den fremden Patienten Stammzellen, um ihm das Lebenzu retten.

Voss sitzt auf dem gepolsterten Entnahmestuhl inder Entnahmeeinheit der Stiftung. Er ist mit beiden Armen über einenVenenzugang an ein Apheresegerät angeschlossen. Aus dem einen Arm läuft Voss‘ Blutüber einen dünnen Schlauch zu dem Gerät, in dem Stammzellen aus dem Blutgefiltert und in einem Beutel gesammelt werden. Das gefilterte Blut wird übereinen anderen Schlauch in Voss‘ anderen Arm zurückgeleitet. Nach der Entnahmewird der Beutel mit den Stammzellen kontrolliert und von einem Stammzellkurier abgeholt. Innerhalb von 72 Stunden müssen die Zellen dem Patienten transplantiert werden. Ständig ist eine Mitarbeiterin der Abteilung im Entnahmeraum. Siekontrolliert Voss‘ Blutdruck und die Werte auf dem Bildschirm des Entnahmegeräts. Während der Spende kann man die Arme nicht bewegen. Deshalbhilft die Mitarbeiterin, wenn man was trinken möchte oder auch mal, wenn dieNase juckt. Dafür, dass in diesem Raum lebensrettende Hilfe geleistet wird, istdie Atmosphäre ruhig und entspannt, beinahe träge. Man hört das tickende Summendes Entnahmegeräts und den eingeschalteten Fernseher.

Vor fast genau zwölf Jahren, im März 2006, war einTeam der gemeinnützigen Stiftung am Pictorius-Berufskolleg in Coesfeld undinformierte die Schüler und Lehrer über Typisierung und Stammzellspende. WennChemo und Bestrahlung einem Leukämiekranken nicht helfen, kann dieTransplantation gesunder Stammzellen die letzte Chance auf Heilung sein. Hauptziel der Datei ist es, Menschen zu werben, sich als mögliche Spender zuregistrieren. Das hat Alexander Voss, der damals an der Schule Fachabi inInformationstechnik gemacht hat, sofort getan.  

Seit seiner Registrierung ist viel passiert. Mittlerweilearbeitet Voss als Projektleiter in der E-Commerce-Abteilung, bei derWerbeagentur Commerce 4. Als Mediengestalter und Softwareentwickler entwirft erShops für Onlinehändler und setzt sie um. Nach Feierabend warten seine 8-, 12-,und 13-jährigen Söhne auf ihn. Fußball ist das große Familien-Hobby. Allerdings fiebert jeder für eine andere Mannschaft mit. „Ich bin Schalke-Fan, meine FrauDortmund-Fan und die Jungs wollen, dass die Bayern gewinnen.“ Erzählt Vosslachend und schüttelt den Kopf. Bei der Liebe zu Hunden liegen alle auf dergleichen Wellenlänge. Seit wenigen Wochen wohnt der zweijährige Bruce bei derFamilie. „Ihn und unseren anderen Beagle haben wir über den Tierschutz bekommen. Bruce kommt aus einem Tierversuchslabor.“ Während der Entnahme warteter auf der Hundedecke im Auto und knabbert seine Kaustange. Voss‘ Frau gehtimmer wieder nach ihm sehen.    

Es war kurz vor Rosenmontag, als ein Mitarbeiterder Stammzellspenderdatei Alexander Voss anrief und fragte, ob er bereit wäre, mit einer Stammzellspende zu helfen. „Ja“, antwortet der dreifache Vater sofort. „Für mich war von Anfang an klar, dass ich spende, wenn jemand meine Hilfe braucht.“

Bevor es soweit ist, wird er gründlich untersuchtund genau aufgeklärt. In den Tagen vor der Entnahme musste sich der Westfale ein Medikament spritzen, das die Bildung der Stammzellen anregt und sie aus dem Knochenmark ins Blut übergehen lässt. Beim Spritzen musste sich Vossüberwinden: „Ich mag keine Spritzen. Ich habe es aber lieber selbst gemacht, als dass ich mich jemand anderem ausliefere.“ Dann grinst er und fügt hinzu: „Meine Frau hätte es gerne gemacht.“ Die sieht mit unterdrücktem Lächeln zur Decke. „Aber schlimmer war, dass ich während den Tagen vor der Entnahme wenigerrauchen und keine Energydrinks oder Kaffee trinken sollte,“ scherzt er. Dannwird er wieder ernst. Er denkt immer wieder an den erkrankten Empfänger seinerStammzellen. Wer ist das und wo lebt er? Erst nach Ablauf von zwei Jahren istes möglich, dass sich Spender und Empfänger kennenlernen können – wenn beide einverstanden sind. „Ich denke, ich habe mit der Typisierung und Spende allesrichtig gemacht. Das ist alles nicht so schlimm, wie das, was der Patient durchmachen muss. Jeder, der körperlich zur Stammzellspende in der Lage ist, sollte es tun. Es rettet Leben!“