Eine Wiederholung des leidenschaftlich diskutierten Neutrino-Experiments am CERN hält die Physiker weiter im Bann. Erneut flogen die Teilchen schneller, als Einsteins Relativitätstheorie erlaubt.
Es bleibt dabei: Neutrinos sind offenbar in der Lage, sich mit Überlichtgeschwindigkeit zu bewegen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Wiederholung des vor rund sechs Wochen veröffentlichten Experiments, bei dem vom CERN bei Genf Neutrinos auf eine 730 km lange Reise zu einem Detektor in den italienischen Abruzzen geschickt wurden. Erneut reisten die Teilchen 0.025 Promille schneller als das Licht.
Kritiker meinten nach dem ersten Versuch, dass es sich um einen Messfehler handele. Die sorgfältige Wiederholung des Experiments, bei der mögliche Fehlerquellen ausgeschlossen wurden, führte jedoch zu einem völlig identischen Ergebnis. Auch wenn mit einer unabhängige Bestätigung durch das Fermilab in Chicago erst im Laufe des kommenden Jahres zu rechnen ist, sprechen internationale Physiker bereits von einer Sensation mit weit reichenden Konsequenzen für unser gesamtes Weltbild.
Momentan werden drei unterschiedliche Szenarien diskutiert:
1) Es liegt ein Messfehler vor: Dieser Möglichkeit wird durch die Wiederholung des Experiments mit einer geänderten Methode zur Messung der Startzeit der Neutrinos nur noch eine geringe Wahrscheinlichkeit eingeräumt.
2) Die Relativitätstheorie ist am Bröckeln: Nur wenige Wissenschaftler wollen daran glauben, da die Relativitätstheorie bisher in vielfältiger Weise bestätigt wurde.
3) Die Teilchen nahmen eine Abkürzung durch eine höhere Raumdimension: Die bisher plausibelste Erklärung, weil diese auch im Einklang mit der String-Theorie des Universums steht und die Relativitätstheorie dabei nicht verletzt wird.
Wie kann man sich eine Abkürzung über eine höhere Raumdimension vorstellen – oder anders gefragt – wie lässt sich eine Gerade abkürzen? Zur Veranschaulichung nehme man ein Blatt DIN A4 Papier und zeichne den Punkt A für das CERN und den Punkt B für den 730 km entfernten Detektor B ein und verbinde beide mit einer Geraden, die 7.3 cm lang ist. Nehmen wir jetzt in einem Gedankenexperiment an, dass das Blatt Papier eine zweidimensionale Welt verkörpert, deren Wesen die dritte Dimension nicht wahrnehmen können. Bereits eine geringfügige Wölbung des Papiers macht deutlich, dass sich die Entfernung zwischen A und B beliebig verringern lässt, wenn man die Punkte A und B direkt über die 3. Dimension verbindet. Genau so etwas ist vermutlich bei dem Experiment passiert: Da die Energie der Teilchen sehr hoch war, konnte möglicherweise die Schranke zu einer für uns nicht direkt wahrnehmbaren höheren Raumdimension überwunden werden. Doch was würde uns in einer höheren Raumdimension erwarten?
In der gleichen Weise, wie sich eine zweidimensionale Welt für uns nur als ein winziges Segment in unserer übergeordneten 3. Dimension darstellt, wären wir vollends von dieser höheren Dimension umgeben. Der bekannte Physiker Professor Dr. Hans-Peter Dürr, langjähriger Direktor des Max-Planck-Instituts für Physik, stellt sich so das Jenseits vor: „Was wir Diesseits nennen, ist ja eigentlich die Schlacke, die Materie, also das, was greifbar ist. Das Jenseits ist alles Übrige, die umfassende Wirklichkeit, das viel Größere“, lautet sein Credo.
Auch wenn die überlichtschnellen Neutrinos die Tür zu der höheren Raumdimension erst einen winzigen Spalt breit geöffnet haben, sind die Folgen der Entdeckung schlichtweg sensationell. Bestimmte Phänomene, die heute noch als paranormal bezeichnet werden, an deren Existenz aber kaum jemand zweifelt, erlangen im Licht der neuen Erkenntnisse eine völlig neue Bedeutung. Möglicherweise bahnt sich eine neue Ära der Physik an. Darauf dürfen wir schon jetzt gespannt sein.
Rolf Froböse
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