Schmerzspezialisten zu Sterbehilfe-Debatte: Kompetente Schmerztherapie macht Euthanasie und assistierten Suizid entbehrlich

PA zu den 14. Österreichischen Schmerzwochen der Österreichischen Schmerzgesellschaft

Wien, 7. November 2014 – „Schwer kranke Menschen, die schmerzmedizinisch optimal versorgt sind, äußern kaum Interesse an aktiver Sterbehilfe oder assistiertem Suizid. Das wissen wird aus Studien und aus der Praxis. Bestmögliche Schmerzmedizin ist also die Antithese zu solchen Konzepten, wie wir sie aus Holland, Belgien oder der Schweiz kennen.“ So kommentiert Prim. ao. Univ.-Prof. Dr. Christian Lampl (Linz), Präsident der Österreichischen Schmerzgesellschaft (ÖSG), die aktuelle Diskussion anlässlich der Parlamentarischen Enquetekommission „Würde am Ende des Lebens“.

Schmerzen, so der ÖSG-Präsident, können heute in fast allen Fällen mit einer breiten Palette an therapeutischen Möglichkeiten zumindest gelindert werden: „Werden also starke Schmerzen immer wieder als Grund für die angebliche Notwendigkeit von Euthanasie oder assistierten Suizid ins Treffen geführt, so ist das zurückzuweisen. Es ist unseriös, zynisch und geht am Thema vorbei“, so ÖSG-Präsident Prof. Lampl. So hatte etwa eine österreichischer Sterbehilfe-Initiative, deren Konstituierung als Verein von den Behörden zurückgewiesen wurde, in den Statuten „selbstbestimmtes Sterben“ unter anderem für Menschen vorgesehen, „die an einer unheilbaren schweren Krankheit leiden, schwer behindert sind, bzw. mit einer schweren Behinderung zu rechnen haben, oder unerträglichen Schmerzen ausgesetzt sind.“ Das müsse ebenso irritieren, wie die Tatsache, dass „bei Einstellungserhebungen zum Thema Sterbehilfe als Fallkonstellation immer wieder das Bild des schwer kranken Menschen mit starken Schmerzen herhalten muss. Oder dass bei der Ausweitung des belgischen Sterbehilfegesetztes auf Kinder starke Schmerzen ausdrücklich als Euthanasie-Grund festgehalten wurden,“ so Prof. Lampl.

Nicht nur Palliativstrukturen, sondern spezialisierte Schmerzeinrichtungen nötig

„Wenn es darum geht, schwer Leidenden optimale Hilfe und Symptomkontrolle anbieten zu können, ist nicht nur der Ausbau von ambulanten und stationären Palliativstrukturen von Bedeutung, sondern auch von spezialisierten Einrichtungen, die kompetente Schmerztherapie anbieten können“, betonte o. Univ.-Prof. DDr. Hans Georg Kress (Wien), Past President der Europäischen Schmerzföderation EFIC, in seinem Statement bei der Enquete. „Dies nicht zuletzt auch deshalb, weil wir gerade bei onkologischen Patienten mit einer neuen Entwicklung konfrontiert sind. Wurde deren angemessene palliativmedizinische Betreuung bisher in erster Linie unter dem Aspekt des Leidens in der letzten Lebensphase gesehen, ist heute dank der Fortschritte in der Onkologie in vielen Fällen Krebs zu einer chronischen Erkrankung geworden, mit der Betroffene oft viele Jahre leben. Was diesen Patienten oft bleibt, sind durch Operationen, Strahlen- und Chemotherapie verursachte chronische Schmerzen, die kompetent behandelt werden müssen. Auch diese nicht-palliativen Patienten haben Anspruch auf angemessene Schmerzbehandlung.“

Schmerzmedizin nicht „zu Tode sparen“

Allerdings bestehe durchaus Anlass zur Sorge, dass einer zunehmend ungebremsten Fehlentwicklung der Weg geebnet wird, so Prof. Kress: „Je massiver im Gesundheitssystem gespart wird und je stärker das auf Kosten der Schmerzmedizin geht, desto stärker wird wohl auch der Druck pro Sterbehilfe. Dann geht es unter Umständen gar nicht mehr, so wie oft behauptet, um Autonomie und Würde der Patienten, sondern um eine preiswerte Endlösung.“ Hier gehe es nicht um theoretische Erwägungen: „In Österreich wird derzeit gerade auf dem Gebiet der Schmerzmedizin massiv eingespart, Schmerzdienste in Krankenhäusern wurden abgeschafft, Schmerzambulanzen geschlossen, und neue Schmerzmedikamente werden von den Krankenkassen nur nach dem bürokratischen Hürdenlauf der Chefarztpflicht bezahlt.“

Sterbehilfe bei Depression und Demenz: Gefährliche Entwicklung

Ein wichtiger praktischer Aspekt sei auch, so Prof. Likar, dass chronische Schmerzen und Depressionen oft Hand in Hand gehen und sich gegenseitig häufig verstärken können: „Diese Zusammenhänge sollten nicht übersehen werden. In der palliativmedizinischen Praxis erweist sich häufig auch eine nicht behandelte Depression als Ursache für einen Todeswunsch, der letztlich immer ein sehr ernst zu nehmender Hilferuf ist, mit angemessener antidepressiver Behandlung aber auch wieder verschwindet.“ Umso beunruhigender sei es, so Prof. Likar, dass „der niederländische Euthanasiebericht 2013 42 Fälle von Sterbehilfe aufgrund psychiatrischer Erkrankungen aufweist, dreimal mehr als im Jahr davor. 97 Fälle betrafen Demenz. Insgesamt, auch das sollte zu denken geben, sind die Fallzahlen in sieben Jahren um 150 Prozent gestiegen, in Belgien haben sie sich in drei Jahren verdoppelt.“

Opioide verkürzen nicht das Leben

Um den Weg zu einer wirksamen Schmerzbehandlung frei zu machen, müsse auch mit einer Reihe falscher Vorurteile aufgeräumt werden. Zum Beispiel, dass eine intensive Opioid-Schmerztherapie eine lebensverkürzende Wirkung habe und daher eine gewisse Form der Sterbehilfe darstelle. Prim. Univ.-Prof. Dr. Rudolf Likar (Klagenfurt), Generalsekretär der ÖSG und Vizepräsident der Österreichischen Palliativgesellschaft (OPG): „Diese Behauptung hat die Wissenschaft längst widerlegt. Eine Reihe von Studien haben mit unterschiedlichen Methoden die Auswirkungen von Opioiden auf das Überleben untersucht. Keine davon kam zum Ergebnis, dass eine kompetent angewendete Opioid-Schmerztherapie das Leben verkürzen würde. Das gilt bei korrekter Anwendung unabhängig von der Höhe der Dosis.“

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