Reportage: Mallorca mit dem MTB

Baller, Mann! Mallorca-Umrundung im Abenteuer-Modus

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Schlechte Betten, Massenabfertigung am Buffet und langweilige Grundlagenkilometer auf dem Rennrad. Ein Trainingslager auf Mallorca hat wenig Reiz für Mountainbiker – es sei denn, man ändert die Spielregeln ein wenig. Statt Pauschalreise haben wir nur einen Flieger gebucht, einen GPS-Track und den Biwaksack im Gepäck.

Intervalltraining
[pd-f / GuF] Meine Bremsen schreien auf. Die Scheiben glühen. Der Puls rast. Nur wenige Meter vor dem Gittertor komme ich zum Stehen. Walter, mein Tourenkompagnon, rauscht an mir vorbei, um in letzter Sekunde schreiend sein Hinterrad quer zu stellen. So knapp war es noch nie. Eines muss man den Avid-Bremsen an meinem Haibike lassen: Auf sie ist Verlass! Wieder einmal unterbricht das Tor einer privaten Finca unsere Fahrt. Wir sind dem flowigen Trail gefolgt. Schön kurvig, steinig, aber nicht zu verblockt und garniert mit der einen oder anderen Steintreppe. Bestes Mountainbiketerrain. Wären da nicht die vielen Gatter, Mauern und Zäune. Mehr als drei Viertel Mallorcas sind in Privatbesitz, meist mit einem Zaun oder einer Steinmauer drumherum. „Intervalltraining“, tauft Walter diesen steten Wechsel aus Fahren, Stoppen und Klettern auf dem Fernwanderweg GR 221. Dieser führt über etwa 140 Kilometer von Port d“Andratx nach Pollença längs des Gebirgszuges der Serra de Tramuntana und ist bis heute wegen einiger Grundbesitzer noch nicht vollständig ausgewiesen. Er ist das Herzstück unser Vuelta a Mallorca.

Zum ersten Mal kraxeln wir nicht bedenkenlos über das Tor hinüber. Dieses Tor ist verdammt hoch, mehrfach verschlossen und mit Stacheldraht garniert. Wir entdecken einen kleinen Trampelpfad, der gut versteckt links am Zaun entlang im Dickicht verschwindet. Als wir uns durchs Gebüsch schlagen, öffnet sich ein grandioser Blick aufs Mittelmeer. Strahlend blau verschwimmt es im Norden am Horizont mit dem wolkenlosen Himmel. Das Ufer liegt kaum 300 Meter Luftlinie vor uns. Der Berg fällt hier über 200 Meter senkrecht ab und die Küstenstraße MA-10 ist im Steilhang gar nicht mehr zu sehen. Erneut eine Vollbremsung, diesmal zu Fuß. Ich ramme das Profil meiner Bikeschuhe in den losen sandigen Boden. Von hinten schiebt das geschulterte Rad samt Ausrüstung. Ich tänzle, drohe das Gleichgewicht zu verlieren. Schließlich lasse ich mein Rad fallen, um nicht abzustürzen. Mein Herz rutscht in die Hose und ich den Hügel abwärts. Büsche stoppen mich und lassen auch mein Greed 29 seicht landen. Allmählich dämmert es mir, warum es auf Wikipedia über den GR 221 heißt: „Dieser Weg erfordert Trittsicherheit und Schwindelfreiheit.“ Hier geht es jedenfalls nicht weiter. Wir klettern kurzerhand rechts über den Zaun und sind damit nicht die Ersten. Die oberen Maschen sind zusammengestaucht, einige Halteösen ausgerissen und der Stacheldraht wurde durchgeknipst. Mittlerweile sind wir eingespielt. Wer vorne ist, klettert herüber, dann reichen wir uns beide Räder rüber. Am Hang geht die Fahrt quer über das Anwesen entlang einer grasenden Schafherde und einiger Esel über wellige Doubletracks bis zur östlichen Begrenzung. Wir kraxeln erneut. Später, in Banyalbufar, erfahren wir, dass dieser Landbesitzer einer der zähesten Gegner des Fernwanderwegs ist.

Lift ab Soller
Abenteuer kann man nicht im Grundlagenbereich trainieren. Das haben die letzten Tage gezeigt. Wer die Herausforderung sucht, der darf nicht überrascht sein, wenn sie vollen Antritt einfordert. Ein Jedermannrennen auf dem Rennrad kennt nur zwei Gefahren: Den Hungerast und die anderen Teilnehmer. Beim Mountainbike ist das schon anders. Erst recht bei den so genannten Self Support Races wie der Tour Divide oder der Grenzsteintrophy, für die Walter und ich uns fit machen wollen. Sie fordern mehr als eine akkurate anaerobe Schwelle. Der Fahrer ist Mechaniker, Materialwart, Teamleiter, Koch, Logistiker, Motor, Masseur, Arzt und Navigator in einem. Für solche zügigen Langstreckenfahrten mit Tagesetappen von bis zu 300 Kilometern kann man sich eigentlich nicht vorbereiten. Das kann man nicht mal eben im Frühjahr eine Woche mit Netz und doppeltem Boden ausprobieren. Ein bisschen im GA1-Modus durch die Lande abenteuern geht nicht. Man muss raus und sich „Kette rechts!“ ins Abenteuer stürzen. Erfahrung will erfahren werden. Noch steiler als unsere Laktatkurve steigt unsere Lernkurve an: So beschließen wir, für den Anstieg von Soller zum Cúber Stausee vom GR 221 auf die Straße abzubiegen, um Körner für das Dach unserer Vuelta am späten Nachmittag zu sparen. Wir passieren gerade Fornalutx, als unser Dampfmaschinenstöhnen plötzlich von hessischen Wortfetzen unterbrochen wird. Langsam werden die Stimmen lauter. Von hinten schiebt sich eine Rennradgruppe im lockeren Gespräch heran. Ein rundes Dutzend Renner aus Darmstadt, wie wir später erfahren, kurbelt locker in Gespräche vertieft der Passhöhe entgegen. Den Lift lassen wir uns nicht entgehen und hängen uns hinten rein. Doch unsere Räder sind mit Gepäck schwer. Hilft halt nicht, wenn man einen 11-Kilogramm-Boliden hat und ihn dann mit zehn Kilogramm Ausrüstung behängt. Dazu sind alle Trinkflaschen und Camelbaks gefüllt, Abendessen und ein Absackerbier sind ebenfalls an Bord, also gut und und gerne für jeden von uns nochmals sieben bis acht Extrakilos auf den 20 Kilo schweren Bikes. Von der Leichtigkeit des Rennrades können wir nur träumen. Dennoch wollen wir dran bleiben. Was für die Sub-Zöller eine gemütliche Passfahrt ist, wird für uns zur Schinderei. Oben angekommen, rüsten sich die Hessen für die Abfahrt Richtung Alcudia. Wir geleiten sie bis zum Cúber Stausee talwärts und treffen dort wieder auf den GR 221.

15 Kilometer Seligkeit
Der Espresso verfehlt seine Wirkung nicht, er macht müde Biker munter. Wir sitzen im Café vorm Kloster Lluc. Bis kurz vor Neun sind wir gestern über das Dach der Tour auf 1.200 Metern unterwegs gewesen. Die Strapazen stecken uns noch in den Gliedern. Und wir wissen, dass uns noch der Gegenhang bevorsteht. Nochmals 200 Höhenmeter Trail auf kaum drei Kilometern hoch zum Col des Pedregaret. Der Kaffee hält die Pumpe auf Touren, bevor wir auf die Abfahrt nach Pollença abbiegen. Was nun folgt, stünde jedem Bikepark gut zu Gesicht: Der Weg geht mal seicht, mal steil bergab; steinige, schmale Abschnitte mit kniffligen Kurven und kurze „Forstautobahn“-Passagen wechseln sich in loser Folge ab. Immer wieder weisen die Pfeile vom breiten Hauptweg ab auf schmale Pfade mit vertrackten Treppen und engen Kurven. Feinstes Downhill-Adrenalin hat den Espresso nun aus der Blutbahn gekickt und versorgt uns mit der nötigen Konzentration. Manche Kurve hat von menschlicher Hand Anlieger aufgesetzt bekommen: Auch auf Malle hat das Trailbuilding Konjunktur. Nach guten 15 Kilometern Abfahrtsflash rollt der GR 221 als Ufertrail neben dem Torrent de la Vall d’en Marc in Pollença aus. Ein würdiges Ende. An der nächsten Tankstelle gibt es für die Fahrer eine Cola und die breiten Racing-Ralph-Reifen bekommen für die anstehende Straßen-Etappe ein Bar Luftdruck zusätzlich verabreicht.

Trail-Paradies im Schatten der Bettenburgen
Die Tristesse der Hotelwüsten im Südosten der Ferieninsel ist schon im Frühjahr unerträglich. Ein paar Rennradfahrer und Rentner streunen wie heimatlose Straßenhunde über die Promenade. Schwer auszumachen, was deprimierender ist: dass die meisten Geschäfte und Restaurants noch geschlossen sind oder sich auszumalen, welche Proletendramen sich hier im Hochsommer abspielen. Alte Zeitungen versperren den Blick durch die Schaufensterscheiben. Gut so, denke ich und wünsche mir, wir hätten doch ein wenig mehr Zeit bei der Streckenplanung verbracht. Denn genau genommen, hatten wir es uns einfach gemacht. Den Wanderweg GR 221 hatten wir als kompletten GPS-Track im Netz gefunden und den Weg zum Cap Formentor brauchten wir nicht planen, da es keine Alternative zu dieser Straße gibt. Den Rest der Malle-Umrundung hatten wir uns aus knapp 80 Tracks, die wir auf diversen GPS-Portalen einsammelten, zusammen geschnipselt und die wenigen Lücken im Adlerflugmodus mittels Google geschlossen. Zwei Abende und der Track war fertig. Sollte sich dies nun rächen? Wir kurbeln eine steile Straße landeinwärts, gesäumt von Bettenburgen im Frühlingsschlaf. Völlig unklar, welche der Hotels im Sommer überhaupt zu neuem Leben aufwachen werden. Würden wir die letzten 180 Kilometer alle Bausünden der Küste passieren? Noch bevor ich mir das Horrorszenario vollends ausmalen kann, lenkt uns der GPS-Track unvermittelt nach links. Zwischen zwei All-Inclusive-Giganten verläuft ein schmaler Splittpfad. Mit Erleichterung lupfen wir unsere Vorderräder über zwei Stufen und biegen auf einen Singletrack, dessen Kehren uns binnen weniger Meter zurück in die Natur bringen. Die Höhenmeter gehen gut runter. Das braucht die geschundene Bikerseele nach zu vielen Asphaltkilometern entlang der am Strand schlafenden Tourismusbestien. Was nun folgt sind Kilometer feinster Küstentrails mit schnellen Kurven und über bockige Steine, der Wald gibt immer wieder den Blick auf kleine Buchten frei. Ach, wie nahe doch das Bike-Paradies ist und wie fern die All-Inclusive-Eisbecher mit billigem Blue Curaçao. Und das ist auch gut so.

Idee, Anreise und Ausrüstung
Die Idee: Statt durchorganisiertem Rennradtrainingslager ein maximales MTB-Abenteuer. Ein Track auf dem Navigationsgerät, ein Flugticket in der Hosentasche und Biwak-Ausrüstung genügen um Mallorcas Trails zu entdecken. Die Rechtslage ist bestenfalls nebulös zu nennen. Da sich über drei Viertel der Insel in Privatbesitz befinden, ist nahezu jede Tour davon betroffen; der Eigner kann das Biken verbieten. Unsere Erfahrung: Wer freundlich und friedlich fährt hat in der Regel keine Probleme. Die Anreise ist von nahezu jedem deutschen Flughafen kein Problem. Wer frühzeitig bucht, kommt für ca. 200 Euro hin und zurück. Achtung: Das Bike auf jeden Fall online voranmelden!

Ein wichtiger Punkt für den Spaß und Erfolg einer solchen Tour ist die Ausrüstung. Allem voran das Rad. Meine Wahl fiel auf das Carbon-Hardtail Greed SL von Haibike in der 29-Zoll-Version: Leicht, steif und dennoch hart im Nehmen, ohne unkomfortabel zu sein, so fällt mein Fazit nach 580 Kilometern und etwa 12.000 Höhenmetern aus. Wichtig waren mir zudem die Reifen: Sie bestimmen wesentlich, wie viel Tempo man machen kann und welche Haftungsreserven man im Gelände hat. Der Racing Ralph von Schwalbe ist seit einigen Jahren mein Favorit für Allround-Touren. In der 2.25″-breiten Version konnte er auch in den verblockten Passagen überzeugen. Eine modifizierte Saddlebag von Ortlieb sowie eine zur leichten Lenkertasche umgebaute Hüfttasche von Ortlieb nahmen einen großen Teil der Ausrüstung auf. Lebensmittel verstaute ich zusammen mit einer Trinkblase im kleinen Gravit-Rucksack von Vaude. Die Ausrüstung umfasst die herkömmliche Ausrüstung für eine herbstliche Tagestour, ergänzt um ein Set Ausgehkleidung, Schlafsack, Biwaksack, Isomatte, Mini-Kochset, spärlichen Waschbeutel, kleine Apotheke, Kamera, Kartenset und Navigationsgerät. Clever ausgewählt wiegt alles zusammen inkl. Taschen unter zehn Kilogramm.

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