Russlands neuer Präsident Wladimir Putin hat in einem zwei Tage vor dem Urnengang geführten Interview mit den Chefredakteuren von sechs westlichen Tageszeitungen, darunter „Le Monde“, „The Times“ und das „Handelsblatt“ (Montagsausgabe), seinen Kurs als russischer Präsident skizziert: So wolle er Russland unter anderem zur fünftgrößten Volkswirtschaft der Welt entwickeln. Derzeit befindet sich das Land auf Platz neun. Er setze auf eine Pro-Wachstumspolitik, eine Bekämpfung der Korruption, eine unternehmerfreundliche Steuerreform und die weitere Privatisierung von Staatsfirmen.
Putin wolle die Firmen, die sich im Staatsbesitz befinden, allerdings nicht unter Wert verkaufen. „Ich bin nicht bereit, Staatseigentum für einen Apfel und ein Ei zu verschleudern“, betonte Putin, der nach Auszählung von 50 Prozent der abgegebenen Stimmen bei der Präsidentschaftswahl rund 64 Prozent erhält. Er werde die Fehler der 1990er Jahre nicht wiederholen. In der Euro-Schuldenkrise unterstützt Putin den Fiskalpakt von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), der für mehr Solidität sorgen soll. Er warnt aber davor, es mit der Sparsamkeit zu übertreiben. „Man darf des Guten nicht zu viel tun. Wichtig ist, dass die Finanzdisziplin nicht zu wirtschaftlicher Stagnation oder Rezession führt.“ Die Vorgehensweise der Europäischen Zentralbank (EZB), die erst in der vergangenen Woche den Banken der Euro-Zone 530 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt hatte, hält Putin für zu zögerlich. „Unsere Experten sind der Auffassung, die EZB könnte entschlossener handeln. Das würde aus Sicht unserer Experten nicht zu einem Inflationssprung führen wie er in Deutschland und Frankreich befürchtet wird.“ Putin sprach sich außerdem dafür aus, die Konflikte auf der Welt friedlich zu lösen – in Syrien und im Atomstreit mit dem Iran. Viele Staaten hätten in der Vergangenheit zu oft ihre Streitkräfte eingesetzt, so Putin. „Es entwickelte sich eine Kriegssucht, die die internationalen Beziehungen stark beeinträchtigt.“ Putin betonte, dass der Iran das Recht zur friedlichen Nutzung der Atomenergie besitze. In Syrien lehne er es ab, die Milizen von Präsident Baschar al-Assad zum Rückzug aufzufordern. Das würde nur zu weiterem Blutvergießen führen. Putin wörtlich: „Die nächste Forderung wird dann die sein, dass in Assads Haus Musik ertönt, die er dann allerdings nicht mehr zu hören bekommt, denn das würde seine eigene Trauerfeier sein.“ Wer so handele, wie es der Westen derzeit tue, trage die Verantwortung für die Vernichtung einer Seite. Sein Vorschlag sei es, beide Konfliktparteien an den Verhandlungstisch zu bringen, erklärte Putin. Der neue russische Präsident kündigte zudem an, dass seine Ehefrau nicht die Rolle einer First Lady spielen werde. „Sie fühlt sich nicht wohl in der Öffentlichkeit“, sagte er. Die modernen Massenmedien seien zu erbarmungslos, nicht jeder könne mit all dem fertig werden. „Ich möchte sehr, dass man sie in Ruhe lässt. Davon hängen ihr seelisches Gleichgewicht und ihre Sicherheit ab.“ Die Bürger würden bei der Präsidentschaftswahl eine Person wählen, nicht ein Ehepaar, sagte Putin im Gespräch mit den Zeitungen.