Der Publizist und frühere Berater von Willy Brandt, Albrecht Müller, hat dem Präsidentschaftskandidaten Joachim Gauck im Interview mit der Tageszeitung „Neues Deutschland“ (Freitagausgabe) erheblichen politischen Lernbedarf attestiert. Müller, dessen Buch „Der falsche Präsident“ an diesem Freitag erscheint, wirft Gauck eine abfällige Haltung gegenüber der Occupy-Bewegung und gegen Protestformen junger Menschen überhaupt vor. Wenn man zur politischen Beteiligung ermuntern wolle – „und das wäre die Pflicht des Bundespräsidenten“ -, dürfe man sich nicht so herablassend über Aktionen junger Leute äußern.
Mit Blick auf Bemerkungen Gaucks über die 68er-Bewegung sagte Müller, „der kommende Bundespräsident“ müsse auch lernen, „mit dieser westdeutschen Geschichte sachlicher umzugehen“. Müller empfahl Gauck zudem, sich in wirtschaftlichen Fragen „nicht nur bei jenen neoliberalen Ökonomen“ zu erkundigen, „die ohnehin die öffentliche Debatte bestimmen“, sondern auch bei kritischen Ökonomen, „die die Welt auch aus dem Blickwinkel der abhängig arbeitenden Menschen und der Ärmeren betrachten“. Gaucks Polemik gegen Kommunisten erinnert Müller „an die heiße Antikommunismus-Debatte der 50er Jahre“.