OVG des Saarlandes: Einvernehmen der Gemeinden zu Baugenehmigungen kann nur unter engen Voraussetzungen durch die Baufaufsichtsbehörde ersetzt werden

Mit Beschluss vom 7. Februar 2012 hat der 2. Senat des Saarländischen Oberverwaltungsgerichts die Rechte von Gemeinden bei der Erteilung von Baugenehmigungen gestärkt. Im konkreten Fall hatte die zuständige Bauaufsichtsbehörde dem Antragssteller eine Baugenehmigung erteilt, obwohl die betroffene Gemeinde ihr Einvernehmen i.S.v. § 36 Absatz 1 BauGB ausdrücklich verweigert hatte. Das OVG des Saarlandes bestätigte eine einstweilige Anordnung des zuständigen Verwaltungsgerichtes, wonach der Vollzug der Baugenehmigung ausgesetzt wurde. ilex zeigt die Hintergründe der Entscheidung auf. Dies unter besonderer Berücksichtigung der Handlungsmöglichkeiten von Bauaufsichtsbehörden, Gemeinden und Bauherren.

1. Der Beschluss und seine Geschichte (verkürzt)
Noch vor dem konkreten Streit, der nun vor dem OVG des Saarlandes verhandelt wurde, erließ eine saarländische Gemeinde den Bebauungsplan. „Hauptstraße/ I Straße“, durch den der bisher geltende Bebauungsplan geändert wurde. Der neue Bebauungsplan enthält einen Ausschluss zentrenrelevanter Sortimente für Betriebe des Einzelhandels und sonstige Gewerbebetriebe mit Verkaufsflächen auf der Grundlage des § 9 Absatz 2a BauGB zum Schutz des zentralen Versorgungsbereichs in der Ortsmitte der Gemeinde zur Sicherstellung einer verbrauchernahen Versorgung. Im Textteil findet sich der Hinweis, dass sich die Zulässigkeit von Bauvorhaben im Geltungsbereich im Übrigen nach § 34 BauGBrichte.
Nunmehr beantragte ein Bauherr eine Baugenehmigung im vereinfachten Verfahren für die Nutzungsänderung der ehemaligen Motorradwerkstatt „in eine Spielhalle mit zwei Konzessionsflächen unter dem Schwellenwert von 100 m2“ und dies bei der zuständigen Bauaufsichtsbehörde, die nicht mit der Gemeinde identisch ist. Die Bauaufsichtsbehörde verlangte daraufhin von der saarländischen Gemeinde eine Stellungnahme und Einvernehmen i.R.d. § 36 BauGB.
Nachdem der Bauherr auf Bitten der Gemeinde erste formelle Fehler behob, verlangte die Bauaufsichtsbehörde von der Gemeinde erneut eine Stellungnahme i.R.d. § 36 BauGB. Hieraufhin verweigerte die Gemeinde ihre Zustimmung zu dem Bauvorhaben und begründete explizit, warum das Bauvorhaben nicht genehmigungsfähig sei. Insbesondere seien die hier als Folge des einfachen und nicht qualifizierten B-Plans maßgeblichen Voraussetzungen des § 34 BDSG nicht erfüllt.

Dennoch erteilte die Bauaufsichtsbehörde dem Bauherren eine Baugenehmigung, ohne auf die verweigerte Zustimmung der Gemeinde hinzuweisen. Die Bauaufsichtsbehörde teilte jedoch der Gemeinde ihre Entscheidung mit und begründete dies auch.
Hiergegen richtete die Gemeinde einen Widerspruch und zugleich einen Eil-Antrag nach § 80a VwGO auf Herstellung der aufschiebenden Wirkung hinsichtlich ihres Widerspruchs. Das Verwaltungsgericht gab diesem Antrag statt, denn es fehle die Einvernehmen der Gemeinde und ihre ausdrückliche Verweigerung ist auch nicht zu beanstanden. Denn in der Sache stehe einer Gemeinde im Falle einer rechtzeitigen Versagung ihres Einvernehmens ein Anspruch zu, dass die Bauaufsichtsbehörde kein Vorhaben zulässt, das den im Rahmen der Entscheidung nach § 36 Absatz 1 Satz 1 BauGBihrer Beurteilung unterliegenden planungsrechtlichen Zulässigkeitsanforderungen nicht entspricht.

2. Welche Rückschlüsse können Bauaufsichtsbehörden hieraus ziehen?
Bauaufsichtsbehörden müssen die Rechte der Gemeinde künftig stärker beachten. Soll das Einvernehmen ersetzt werden, geht dies nur unter engen Voraussetzungen. Werden dadurch allerdings wichtige Infrastrukturvorhaben blockiert – sei es gegen das Interesse der Gemeinde oder der übergeordneten Bauaufsichtsbehörde – ist dringend zu raten, hier einen runden Tisch zu bilden. Dies allein schon im Interesse der Bauherren, die im hier betroffenen Verfahrensstadium meist schon sehr viel Geld investiert haben.

3. Welche Rückschlüsse können Gemeinden hieraus ziehen?
Die Rechte der Gemeinden wurden mit dieser Entscheidung durchaus gestärkt. Ihr Einvernehmen ist äußerst wichtig im Rahmen der Bauvorhaben. Dieser Zugewinn an Einfluss kann im Idealfall als Verhandlungsmasse geführt werden, für die Einflussnahme auf der Entwicklung der Gemeinde. Diese Steuerungsmöglichkeiten und insbesondere die örtliche Nähe zum Bauvorhaben können Fehlentwicklung korrigieren.
Jedenfalls wissen Gemeinden nun, dass ihre Planungshoheit in der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung geschätzt wird. Damit können Gemeinden künftig auch anderen Entscheidungsträgern gegenüber selbst- aber auch verantwortungsbewusst gegenübertreten.

4. Welche Rückschlüsse können Bauherren hieraus ziehen?
Für Bauherren ist die Entscheidung – so richtig sie auch sein mag – durchaus misslich. Denn das Risiko eines Baustopps oder anderer negativer Folgen steigt. Daher ist Bauherren – gerade aus dem Investorenbereich – anzuraten, frühzeitig die Einholung des gemeindlichen Einvernehmens zu begleiten; etwa durch proaktive Gespräche.

5. Fazit
Die Entscheidung stellt die gemeindliche Planungshoheit heraus und zeigt, dass verwaltungsrechtliche Streitigkeiten alle Beteiligten in eine missliche Lage bringen können. Daher ist ein proaktiver Ansatz, in den – wirklich! – alle Entscheidungsträger eingebunden werden, eine essentielle Voraussetzung für den Erfolg eines Bauvorhabens.

Dr. Stephan Gärtner
Rechtsanwalt

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