OMV-Chef fordert eine europäische Energieoffensive

Der Öl- und Gasboom in den Vereinigten Staaten bedroht die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie. Davor warnt der Vorstandsvorsitzende des österreichischen Öl- und Gaskonzerns OMV, Gerhard Roiss, in einem Gespräch mit der „Süddeutschen Zeitung“. „Die USA haben schon jetzt einen großen Vorteil durch geringere Energiekosten.“

Europa müsse sich deshalb die Frage stellen, was das für die Konkurrenzfähigkeit seiner Industrie bedeute. „Viele Firmen werden in die USA abwandern, wenn Energie in Europa zu teuer wird“, sagte der Chef des größten mitteleuropäischen Öl- und Gaskonzerns am Mittwoch am Rande einer Strategiekonferenz in London. Das Problem der Konkurrenzfähigkeit werde von vielen Regierungen in der EU unterschätzt, kritisierte Roiss. „Die USA treiben die Ausbeutung unkonventioneller Vorkommen konsequent voran. Dahinter steckt eine langfristige Planung“, sagte Roiss. „Mit billiger Energie wird das Land reindustrialisiert.“ Die Internationale Energie Agentur hat gerade erst prognostiziert, dass die USA in den nächsten Jahren so viel Öl und Gas aus unkonventionellen Vorkommen gewinnen werden, dass das Land von Importen unabhängig wird. Roiss fordert vor diesem Hintergrund eine Energieoffensive in Europa. Die Länder der EU könnten es sich nicht leisten, auf die umstrittene Ausbeutung von Schiefergas zu verzichten. „Was wir brauchen, ist eine europäische Initiative zur Schiefergasförderung. Wenn jedes Land alleine für sich kämpft, bringt das nichts“, sagte er. In den meisten EU-Ländern stößt die Gewinnung von Gas und Öl aus Gestein durch Fracking auf Ablehnung, weil das Verfahren umweltschädlich ist. Um den Rohstoff herauszulösen, müssen große Mengen an Chemikalien in den Untergrund gepumpt werden, die das Grundwasser vergiften können. Einige Länder wie Frankreich haben Fracking deshalb verboten. Die deutsche Regierung zeigt sich zögerlich. Roiss hebt dagegen die Chancen von Schiefergas für Deutschland hervor. Das Potenzial europäischer Gasvorkommen sei zwar nicht so groß wie das der USA. „Europa könnte aber schon 2020 ein Sechstel seines Gases selbst produzieren, das wären 100 Milliarden Kubikmeter pro Jahr. Das wäre ein Anfang, um unabhängiger zu werden von Lieferungen aus Russland, Nordafrika oder dem Mittleren Osten.“ Bislang werde viel zu wenig getan, um diese heimischen Vorkommen zu nutzen. „Die Gasproduktion in Europa geht seit Jahren zurück. Europa muss derzeit 70 Prozent seines Gasbedarfs einführen. Dieser Anteil könnte bald auf 90 Prozent steigen“, so Roiss. Er ist sicher, dass die Gasreserven in Europa noch für 200 Jahre reichen.