Führende Ökonomen in Deutschland sind uneins darüber, ob die Bundesregierung angesichts der Euro-Schuldenkrise ihre Sparpolitik zur Einhaltung der Schuldenbremse fortsetzen soll. „Es sollte angesichts beachtlicher Entlastungen bei den Zinsausgaben und konjunktureller Steuermehreinnahmen gelingen, das Defizit des Bundes früher an die Vorgaben der Schuldenbremse heranzuführen“, sagte der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, der Onlineausgabe des „Handelsblatts“. „Der Glaubwürdigkeitsgewinn in Europa wäre enorm.“
Der Direktor des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Gustav Horn, warnte dagegen vor einem rigorosen Sparkurs. „Ein Euro-Raum, der allein auf Sparen setzt, dürfte wirtschaftlich scheitern“, sagte Horn. Dagegen dürfte die „Verbindung von einer investiven Strategie mit Vorkehrungen gegen künftige Handelsungleichgewichte, die beispielsweise durch einen Europäischen Währungsfonds mit hinreichender Mittelausstattung und hinreichenden Kompetenzen für Sanktionen bestehen könnten,den Euro-Raum wirtschaftlich gestärkt aus der Krise hervorgehen lassen.“ Dies wäre aus Sicht Horns „auch das zentrale, noch vor der Wahl zu verwirklichende Projekt“. Alles andere sei „nachrangig“, betonte er. Der Überwindung der Euro-Krise müsse also die höchste Priorität zukommen. „Denn die Art, wie diese Krise bewältigt wird, und welche institutionellen Reformen im Euro-Raum stattfinden, wird die wirtschaftliche Entwicklung der kommenden Jahre prägen.“ Hüther attestierte der Bundesregierung in diesem Zusammenhang, auf dem europäischen Parkett „eine gute Figur“ zu machen. „Sie hat hier die Führung des Krisenmanagements übernommen.“ Innenpolitisch sei die Regierung dagegen schwach, sie habe „keines der großen Projekte aus dem Koalitionsvertrag bisher angemessen umgesetzt“, kritisierte der IW-Chef. Als Beispiele nannte er die Steuerpolitik (Gewerbesteuer, Unternehmensbesteuerung, Strukturreform in der Einkommensteuer), die Sozialpolitik (Pflegereform) und die Reform der Arbeitsförderung. „Entweder kommt die Regierung gar nicht voran oder nur sehr kleinteilig.“ Lobend äußerte sich der IW-Chef zum Zuwanderungsrecht, in dem „richtige Änderungen“ vorgenommen worden seien, und zur Rente mit 67, die „verlässlich umgesetzt“ worden sei. „Untragbar“ sei dagegen der Beschluss, ein Betreuungsgeld einzuführen, „und zwar sowohl wegen der fatalen Anreizeffekte wie wegen der Haushaltsbelastungen“, sagte Hüther.