Berlin (2. November). In der sechsten Verhandlungsrunde gelang der Durchbruch: IG BCE und Arbeitgeberverband Nordostchemie einigten sich auf einen Tarifabschluss für die 36.000 Beschäftigten in der chemischen Industrie Ost. Im Mittelpunkt steht ein neues Abkommen zur Lebensarbeitszeit, das von der IG BCE vorgeschlagen und entwickelt worden war. Auch die Entgeltthemen „Jahresleistung“ und „Strukturverbesserungen in den Tarifgruppen E5 bis E8“ sind geregelt.
IG-BCE-Verhandlungsführer Peter Hausmann: „Wir sind stolz, alle drei Themen nach vorne gebracht zu haben. Es waren ausgesprochen schwierige, zähe Verhandlungen, doch es hat sich gelohnt: Wir haben ein Arbeitszeitmodell vereinbart, von dem eine Signalwirkung ausgehen kann. Erstmals orientieren wir uns mit tarifvertraglichen Regelungen zur Arbeitszeit an den Lebensphasen und der Arbeitsbelastung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Für Beschäftigte mit Kindern oder pflegebedürftigen Angehörigen, für Schichtarbeiter und für unsere älteren Kolleginnen und Kollegen schaffen wir erhebliche Entlastungsmöglichkeiten. Wir geben tarifliche Antworten auf den demografischen Wandel, wir erschließen ein neues tarifpolitisches Feld.“
Petra Reinbold-Knape, IG-BCE-Landesbezirksleiterin Nordost, unterstreicht: „Es ist uns gelungen, die noch bestehenden Unterschiede zwischen Ost und West im Entgelt stufenweise einzuebnen. Es ging in der Tarifrunde um mehr Geld im Portemonnaie – das haben wir erreicht. Aber es ging auch um gute Arbeitsbedingungen, damit Arbeit bis zur Rente leistbar ist. Dies lösen wir mit dem innovativen Arbeitszeitmodell ein. Die Ostchemie mit ihrem hohen Produktionsanteil in den Betrieben wird damit zum Vorreiter. Die jetzt vereinbarte Entlastung bei der Arbeitszeit ist nicht nur für Schichtarbeiter wichtig, die immer längere Lebensarbeitszeit gesundheitlich zu stemmen. Die vielen Aktionen in den Betrieben im Umfeld der Verhandlungen haben gezeigt, dass dies längst überfällig war.“
In der Tarifrunde Chemie Ost war seit dem Auftakt im November 2010 die weitere Angleichung der Tarifbedingungen zwischen der chemischen Industrie in Ost und West verhandelt worden. Zwar ist die Tarifeinheit beim monatlichen Entgelt bereits seit 2009 Realität, doch es bestanden weiter Unterschiede bei den Regelungen zur Arbeitszeit, der Entgeltstruktur in den Entgeltgruppen E5 bis E8 sowie zur Jahresleistung.
Der Abschluss der Tarifrunde Chemie Ost:
Jahresleistung
Die Jahresleistung beträgt im Westen 95 Prozent eines monatlichen Bruttoentgelts, im Osten sind dies 65 Prozent. Dieser Unterschied wird in zwei Stufen ab 2014 beseitigt. Von 2015 an werden auch im Osten 95 Prozent gezahlt.
Entgeltstruktur
Der Chemie-Tarifvertrag kennt 13 Entgeltgruppen. In den Gruppen E5 bis E8 (Facharbeitergruppen) liegen zwar die jeweiligen Eingangsstufen in Ost und West auf einem Niveau, die Erhöhungsstufen in den Folgejahren weichen jedoch um bis zu 8 Prozent vom Westniveau ab. Dieses Gefälle wird nun verringert. IG BCE und Chemie-Arbeitgeber haben vereinbart, 2012 den Abstand bis auf die Hälfte anzugleichen. Der letzte Schritt wird 2014 verbindlich vereinbart.
Arbeitszeit
IG BCE und Chemie-Arbeitgeber haben das von der IG BCE vorgeschlagene neue Arbeitszeitmodell vereinbart. 2013 werden Arbeitszeitfonds in den Unternehmen eingerichtet, die von den Arbeitgebern jährlich mit 2,5 Prozent der Jahresbruttoentgeltsumme gespeist werden.
Aus diesem Fonds werden Arbeitszeitverkürzungen für Beschäftigte in besonderen Lebensphasen und Belastungssituationen finanziert. Es geht dabei insbesondere um
o Altersgerechte Arbeitszeit ab dem 60. Lebensjahr
o Familienzeit, Elternzeit, Pflegezeit
o Erholzeiten für besonders belastete Arbeitnehmergruppen (z.B. Beschäftigte in Schicht-arbeit)
o Die Einrichtung von Langzeitkonten
Die Betriebsräte und Geschäftsführungen in den Unternehmen entscheiden je nach der Situation vor Ort über den Einsatz der Fondsmittel. Gibt es keine Einigung, greift eine Auffangregelung. In diesem Fall fließt der Anspruch in Langzeitkonten.