Fernduell im Mikrokosmus des schönen Schleswig Holstein. IHK-Präsident Klaus-Hinrich Vater nahm den Neujahrsempfang der Industrie- und Handelkammer (IHK) zu Kiel zum Anlass, die Datenschutzaufsichtsbehörde Schleswig Holstein ULD zu kritisieren. Das ULD und dessen Vorsitzender Dr. Thilo Weichert reagierte prompt mit einer Pressemitteilung. ilex erklärt, wie Unternehmen in und außerhalb Schleswig-Holsteins mit der Debatte umgehen können.
1. Das Fernduell
Am heutigen 12. Januar 2012 geht es erneut, um die facebook Politik des ULD. Die IHK zu Kiel bzw. dessen Vorsitzender ließ wissen:
„Beginnen möchte ich … mit dem Landesdatenschutzbeauftragten. Dr. Thilo Weichert führt einen missionarischen Feldzug gegen Facebook und schickt sich an, der Don Quijote des Internet-Zeitalters zu werden. Dazu wollen wir erst einmal gar nichts weiter anmerken. Höchstens die Frage stellen, ob aus dem kleinen Bundesland Schleswig-Holstein nun unbedingt der Kampf gegen einen derartigen Global Player geführt werden muss. Was aber nicht angehen kann, ist die Tatsache, dass Herr Dr. Weichert diesen Kampf auf dem Rücken der schleswig-holsteinischen Unternehmen führt. Diesen erheblichen Wettbewerbsnachteil können und wollen wir nicht akzeptieren.
Stellvertretend für unsere Mitgliedsunternehmen halten wir deshalb den Kopf hin und setzen uns mit Herrn Weichert auseinander. Klar ist, dass Internet-Innovationen zeitgemäße Gesetze benötigen. Aber bitte nicht gleich das Kind mit dem Bade ausschütten und das ganze Internet verbieten. Das sind keine Phantasien von mir, denn der gute Mann hat bereits Google, Amazon und ebay auf seinem Zettel.
An die Politik sei die Frage erlaubt, wieso Herr Weichert über 44 Mitarbeiter verfügt, wie seiner Homepage zu entnehmen ist. Das sind deutlich mehr, als andere Mitgliedsstaaten der Europäischen Gemeinschaft für diese Aufgabe in Gänze abstellen. Soll von unserem kleinen Bundesland aus die Internet-Welt neu geordnet werden?
Wir werden jedenfalls nicht akzeptieren, dass Herr Dr. Weichert einen Keil zwischen die Wirtschaft und den Datenschutz treibt. Der Datenschutz ist für unsere Unternehmen von erheblichem Wert. Dazu gehören jedoch verlässliche Rahmenbedingungen und keine wie auch immer gearteten Alleingänge.“
Hierauf reagiert das ULD wie folgt:
„Wenn von einer öffentlich-rechtlichen Körperschaft die Wahrnehmung der gesetzlichen Aufgaben einer anderen öffentlichen Stelle als missionarischer Feldzug wahrgenommen wird, ist das verwunderlich, erst recht, wenn diese Wahrnehmung auf falschen Daten basiert. Das ULD schont die schleswig-holsteinischen Unternehmen bei der Klärung der Frage, dass Fanpages und „Gefällt mir“-Buttons von Facebook gegen den Datenschutz verstoßen. Dies wurde von uns schon mehrfach dargelegt. Dass sich die IHK dieser Klärung bisher verweigerte, muss nicht als wirtschaftsfreundliches Verhalten interpretiert werden.
Falsch ist, dass es bei mir einen Zettel gäbe, auf dem die Namen „Google, Amazon und ebay“ stehen. Richtig ist, dass sich das ULD intensiv mit Angeboten von Google, u. a. Street View und Analytics, auseinandersetzte und –setzt, und dass dabei gegenüber diesem „Global Player“ von den deutschen Datenschutzbehörden massive Datenschutzverbesserungen durchgesetzt werden konnten. Richtig ist, dass das ULD derzeit knapp 40 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hat, von denen jedoch nur 25 über den Landeshaushalt finanziert werden. Die übrigen Stellen werden haushaltsneutral vorrangig über das Durchführen von wissenschaftlichen Projekten, über Gutachtenerstellung, über Datenschutzaudits und über die Zertifizierung von Produkten finanziert. Mit 25 haushaltsfinanzierten Stellen befindet sich das ULD im Vergleich zu anderen Datenschutzbehörden in Deutschland im Mittelfeld.
Das ULD will die Internet-Welt nicht neu ordnen; dies sollten die Parlamente als Gesetzgeber tun. Das ULD ist aber für die Beachtung der Datenschutzgesetze durch Stellen in „unserem kleinen Bundesland“ zuständig; diese Aufgabe nehmen wir ernst. Einen Keil zwischen die Wirtschaft und den Datenschutz treibt nicht das ULD, sondern wohl eher eine andere öffentliche Körperschaft im Lande, die damit beiden Seiten keinen guten Dienst erweist. Das ULD betreibt bei seinem Vorgehen zu Social Communities keinen Alleingang, sondern wird von den Datenschutzbehörden bundesweit unterstützt.
Herr Vater sollte Schleswig-Holstein nicht kleiner machen als es ist, sondern besser Datenschutz als ein Marktkriterium erkennen, mit dem auf dem Weltmarkt ein großes Geschäft gemacht werden kann – und mit dem zugleich Grundrechte geschützt werden. Vielleicht sollte er sich daran erinnern, wie in den 70er und 80er Jahren die Ökologiebewegung gescholten wurde, und dann betrachten, welche wirtschaftliche Relevanz Umwelttechnologien heute haben.“
2. Konsequenzen für Unternehmen
Mittelständische Unternehmen sollten sich nicht vom bizarren Äußeren der Diskussion täuschen lassen: Hier geht es um einen wirtschaftlich relevanten Vorgang. Es geht um die Frage: Hat Wirtschaftlichkeit Vorrang vor Datenschutz oder Datenschutz Vorrang vor Wirtschaftlichkeit. Alle werden sich einig sein, dass es um die Symbiose beider Elemente geht. Richtige Ansätze sind privacy by design, Transparenz, proaktive Rechtsberatung und eine Förderung der Selbstbestimmung. Diese Instrumente müssen Unternehmen kombinieren; dann ist jedes Bußgeld obsolet.
In concreto sollten Unternehmen ihre Aufsichtsbehörden ermitteln und auf sie zugehen. Eine einvernehmliche Lösung muss technische Vorkehrungen beinhalten, die Transparenz und Widerspruchsmöglichkeiten in den Vordergrund stellen
3. Fazit
Das „Duell“ empfinden Unternehmen als wenig hilfreich. Sie wollen aber auch keine Kampfparolen. Was Unternehmen wollen ist was sie brauchen: Praktikable, rechtssichere Lösungen.
Dr. iur. Stephan Gärtner
Rechtsanwalt und Compliance Manager
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