Nationalsozialistische Aufarbeitung Worpswedes kann endlich beginnen

Bürgerinitiative fordert innovatives Museumsprojekt

Worpswede – Die Bürgerinitiative „Unser-Worpswede.de“ will den „Nationalsozialismus in der Künstlerkolonie“ nachhaltig aufarbeiten. Die Auseinandersetzung damit fiel bislang durch Verharmlosung und Legendenbildungen auf: Nun soll mit einer ständigen Ausstellung diese Vergangenheit thematisiert werden. Die Initiative bittet deshalb in einem offenen Brief den Großdrogisten Rossmann, das vom Abriss bedrohte historische „Landhaus“ den Bürgern zu übereignen, damit es zukünftig diese Aufgabe übernehmen kann. Kein anderes Gebäude eigne sich besser für ein solches Projekt in Worpswede, da das ehemalige Gasthaus auf eine demokratische Vergangenheit während der Weimarer Republik zurückblicken kann.

Der berühmte Künstlerort steckt in einem unbewältigten Thema fest, über das man nicht reden möchte. Man befürchtet auch, dass der Touristenstrom ausbleiben könnte: Worpswede war eine Hochburg des Nationalsozialismus und der mit ihm verbündeten deutschnationalen Kräfte! Die Ergebnisse der Reichstagswahlen von 1933 sprechen eine deutliche Sprache.
Man könnte meinen, 68 Jahre nach Kriegsende sollten ausreichend sein, mit genügend Abstand sachlich über die Vergangenheit zu reden, doch weit gefehlt: Die Ausstrahlung der Deutschlandfunk-Sendung „Die Lücke an der Wand – Der Mythos von der unpolitischen Künstlerkolonie Worpswede“ vom 15. März 2013 entlarvte den aktuellen Umgang der öffentlichen Verwaltung.

Das Radiofeature beschreibt einen handfesten Skandal in der Tourist-Information des Dorfes, der bislang jedoch in der Gemeinde kaum Wellen schlägt: die eigenwillige chronologische Darstellung bedeutsamer Jahreszahlen – mit Auslassung von 1933-1945.
Andreas Rico Schweter, Sprecher der Initiative: „Wir waren bestürzt über die Ausflüchte und Verharmlosungen der Verantwortlichen, denn einige der Worpsweder Künstler waren während der Zeit des Nationalsozialismus außerordentlich aktiv!“
Die Initiative stützt sich dabei auf jüngste Erkenntnisse des Historikers Ferdinand Krogmann, der in seinem 2011 erschienen Buch „Worpswede im Dritten Reich 1933-1945“ sorgfältig recherchierte Fakten bringt.

Die Bürgerinitiative arbeitet bereits konkret an der Realisierung eines innovativen Museumprojekts. Das „Haus des gegenwärtigen Erinnerns“ ist durch eine Dreiteilung konzipiert: einem Museumsbereich, einem Archiv und einer Akademie. Es soll ein empathischer und offener Raum geschaffen werden, in dem individuelle und gemeinschaftliche Aufarbeitung der NS-Geschichte ermöglicht werden kann. Markus Landt, Worpsweder Künstler und Mitglied der Initiative: „Geschichtsbewusstsein entwickelt sich nur in der Freiheit von äußeren und inneren Zwängen – ganz frei von Wertungen und Glaubenssätzen.“

Der Historiker Krogmann hat bereits zugesagt, den Aufbau des Museums zu unterstützen und ist bereit, Teile seines Archivs dafür zur Verfügung zu stellen.

In einem ersten Schritt hat die Bürgerinitiative die Unternehmensgruppe Rossmann in einem
offenen Brief gebeten, das geschichtsträchtige Gebäude den Worpsweder Bürgern zu übereignen, damit es dem Denkmalschutz zugeführt werden kann.
Nach vorsichtigen Schätzungen sind für die Instandsetzung und Schaffung der Voraussetzungen eines Museums- und Akademiebetriebs eine Millionen Euro notwendig.
Die Bürgerinitiative ist zuversichtlich, dass sich nach erfolgreicher Anlaufphase die Gemeinde an den Betriebskosten beteiligen wird, nachdem der Prozess der Aufarbeitung begonnen hat. Dieses Gesamtprojekt wäre ein vollkommen neuer touristischer Ansatzpunkt, der sich mit dem bestehenden Kunstbetrieb ideal ergänzen würde.

Die Initiatoren suchen nun bundesweit Fürsprecher und Sponsoren, um das konkrete Vorhaben einer nachhaltigen Aufarbeitung des Nationalsozialismus zu realisieren.

Rico Schweter: „Herr Rossmann, lassen Sie uns von einem Ort träumen, den wir mit Vorbehalten und Ängsten betreten, und dann als wirklich freie Menschen wieder verlassen!“

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Pressekontakt:
Bürgerinitiative „Unser-Worpswede.de“
Andreas Rico Schweter (Sprecher)
Telefon: 0173 6469222
E-Mail: andreas@ricoschweter.de
Internet: www.unser-worpswede.de