Nachfahren von jüdischem Sammler kritisieren Versteigerung von Munchs „Der Schrei“

Die Nachfahren des jüdischen Kunstsammlers Hugo Simon haben die bevorstehende Versteigerung von Edvard Munchs Gemälde „Der Schrei“ durch das Auktionshaus Sotheby`s als unmoralisch kritisiert. „Wir sind mit dem Verkauf nicht einverstanden“, sagte Rafael Cardoso, der in Brasilien lebende Urenkel des Sammlers, der Berliner Tageszeitung „Die Welt“. Sein Vorfahr sei in der Nazizeit aus Deutschland geflohen und habe das Bild im Exil aus Not verkauft.

„Wir meinen, es ist eine wichtige moralische Angelegenheit, die Fehler der Vergangenheit zu korrigieren“, so Cardoso. Er, sein Bruder und seine Mutter sind die einzigen lebenden Nachfahren des Sammlers. Der heutige Besitzer des Gemäldes, der norwegische Industrielle Petter Olsen, will die vierte und einzige in Privatbesitz befindliche Version von Munchs „Schrei“ am 2. Mai bei Sotheby`s in New York versteigern. Der Schätzpreis ist mit 80 Millionen Dollar der höchste, der je für ein Pastell angegeben wurde. Wie die „Welt“ weiter berichtet, floh der Vorbesitzer des Gemäldes, Hugo Simon, 1933 vor den Nazis nach Paris. Teile seines Vermögens wurden beschlagnahmt, anderes konnte Simon retten – darunter auch Munchs „Schrei“, das er später allerdings verkaufte. Wann genau und zu welchem Preis, dazu gibt es heute keine Belege mehr. „Es ist offensichtlich, dass Hugo Simon dieses Gemälde unter Zwang verkauft hat, vermutlich unter Wert“, sagte Simons Urenkel Cardoso. „Sicher wurde jeder Vermögensgegenstand, den er in diesen Jahren verkaufte, verkauft, um zu überleben.“ Cardoso sagte, Sotheby`s und der jetzige Eigentümer Olsen seien sich über die fragwürdige Provenienz des Bildes offenbar im Klaren. Olsens Anwälte hätten den Simon-Nachkommen angeboten, 250.000 US-Dollar für einen gemeinnützigen Zweck zu spenden, wenn sie der Versteigerung zustimmten. „Wenn sie keine ethischen Bedenken hatten, warum kamen sie überhaupt mit dem Angebot“, fragte Cardoso. Er und seine Verwandten hätten das Angebot abgelehnt. Juristisch ist eine Zustimmung der Nachfahren zur Versteigerung nicht erforderlich. Das Auktionshaus Sotheby`s teilte der „Welt“ auf Anfrage mit, man habe die komplette Liste der Vorbesitzer des „Schreis“ offengelegt.