Seit 30 Jahren werden täglich Stammzellspender aus der Datei der Stefan-Morsch-Stiftung weltweit vermittelt, um Leukämiekranken eine Chance im Kampf gegen Blutkrebs zu geben. Im Oktober 2013 hat Birgit Germscheid aus Kürten-Bechen (Rheinisch-Bergischer-Kreis) für eine fremde Frau, eine zweifache Mutter, gespendet. Mittlerweile feiert sie einmal im Jahr mit ihrer genetischen Zwillingsschwester Iris Schmidt aus Raubach (Kreis Neuwied) den Tag, der sie verbindet.
Iris Schmidt hat einen Lieblingsmenschen: Birgit Germscheid. Leukämie lautete 2013 die Diagnose für die 47-jährige Raubacherin. Seit fast 20 Jahren ist Birgit Germscheid bei der Stefan-Morsch-Stiftung typisiert. Im Oktober 2013 spendete sie für die zweifache Mutter Stammzellen. Um Danke zu sagen, hat Iris Schmidt ihre Lebensretterin bei der RPR1-Aktion „Glück sucht Bringer“ angemeldet – und gewonnen. Im Dezember startet Birgit Germscheids Flieger in Richtung Mauritius. Begleiten lässt sie sich von der Frau, die für sie „wie die Schwester“ ist, die sie sich gewünscht hat.
„So jemand habe ich auch“
Immer wieder warb der Radiosender RPR1 im Frühjahr für die Aktion Glück sucht Bringer. Hier kann man Helfer und Alltagshelden bei einer Verlosung für eine Urlaubsreise anmelden. „So jemanden habe ich auch“ denkt Iris Schmidt, als sie den Aufruf im Radio zum ersten Mal hört: ihre Lebensretterin Birgit Germscheid. „Ich wollte, dass Birgit diese Reise nach Mauritius mit ihrem Mann machen kann.“ Sie rief bei RPR1 an und erzählte von ihrer Erkrankung, von Birgit Germscheids Stammzellspende und der daraus gewachsenen Freundschaft.
Schock-Diagnose: Leukämie
Vor drei Jahren war die zweifache Mutter ständig krank. „Die Ärzte empfahlen mir, zwei Wochen Urlaub zu machen, dass ich einfach mal wieder auftanken kann.“ Schnell geht es ihr immer schlechter. Nach neun Tagen brach die Familie den Urlaub in der Türkei ab. An den Rückflug erinnert sie sich nicht. Auch nicht daran, dass der Notarzt schon neben der Landebahn in Frankfurt auf sie gewartet hat. Erst drei Tage später wachte sie in einem Krankenbett auf, an dem ihr Mann bei ihr saß. Die Diagnose „akute myeloische Leukämie“ hatten die Ärzte bereits gestellt. „Drei Tage war ich wie gefühlslos. Ich konnte nicht weinen. Ich habe meine Eltern getröstet und meine Familie darum gebeten, für mich zu beten.“ An einem Tag betraten fünf Ärzte ihr Zimmer und erklärten ihr, dass sie eine Stammzelltransplantation braucht. „Eine Ärztin saß auf meinem Bett und hielt meine Hand“, erzählt Iris Schmidt.
Immer wieder Spender gesucht
Reichen Chemotherapie und oder Bestrahlung nicht aus, kann nur eine Stammzelltransplantation Hoffnung auf Heilung geben. Das ist aber nur möglich, wenn sich ein passender Stammzell- bzw. Knochenmarkspender zur Verfügung stellt, der die gleichen genetischen Merkmale hat, wie der Patient. Um für Leukämiepatienten wie Iris Schmidt Stammzellspender zu finden, sind täglich Teams der ältesten Stammzellspenderdatei aus dem rheinland-pfälzischen Birkenfeld in ganz Deutschland unterwegs. Täglich werden Stammzell- oder Knochenmarkspender aus der stiftungseigenen Spenderdatei von mehr als 450 000 potentiellen Lebensrettern weltweit vermittelt.
Lebensretterin gefunden
Den Moment, als die Ärzte Iris Schmidt erzählten, dass es eine passende Spenderin gibt, hat sie noch genau vor Augen: „Das war ein Mittwochnachmittag. Vier Ärzte kamen zu mir ans Bett, sie haben gelacht. Das gab mir Kraft, weiter durchhalten zu können.“ Wer ihre Lebensretterin war, wusste die 47-Jährige damals noch nicht. Heute trifft sie sich regelmäßig mit ihrer Spenderin: „Wir treffen uns und haben zufällig das gleiche an, wir haben den selben Geschmack und in Sachen Erziehung denken wir sehr ähnlich“, erzählt die 54-jährige Birgit Germscheid, die vor ein paar Wochen zum dritten Mal Oma geworden ist. Den Tag, der sie verbindet, der 8. Oktober – Iris Schmidts zweiten Geburtstag – feiern sie jetzt immer zusammen. „Für dieses Jahr haben wir ein schönes Hotel im Sauerland gebucht.“ erzählt Iris Schmidt.
Familie ist wichtiger denn je
Ihr Leben hat sich verändert: „Ich bin dankbar, dass ich noch da bin. Zeit mit meiner Familie erlebe ich heute intensiver und sie ist mir wichtiger als je zuvor.“ Und den Menschen, die sie durch ihre Krankheit begleitet haben, möchte sie ‚Danke‘ sagen.
An die RPR1-Auslosung erinnert sich Iris Schmidt noch ganz genau: „Das war der elfte März. Ich saß mit meinem Mann und meinen Kindern am Frühstückstisch, als die Meldung im Radio kam. Wir haben uns gefreut und gejubelt, als Birgit die Woche in Mauritius gewonnen hat.“ Gleichzeitig freut sich Birgit Germscheid mit ihrem Mann in Kürten-Bechen, der sie aber nicht auf ihrem Traumurlaub begleiten kann. „Mein Mann hat Multiple Sklerose. Er sieht sich nicht in der Lage, den Flug und die Reise auf sich zu nehmen. Von ihm kam die Idee, dass ich das mit Iris zusammen machen soll.“ Für Iris Schmidt war das eine große Überraschung: „So hatte ich mir das nicht gedacht. Ich wollte doch, dass Birgit mit ihrem Mann eine schöne Zeit hat.“ Jetzt freut sie sich auf eine Woche Hochsommer mitten im Dezember, zusammen mit ihrer „genetischen Zwillingsschwester“.
Was bedeutet Typisierung?
Als Typisierung bezeichnet man die eigentlichen Laborarbeiten, die für eine Aufnahme in die Stammzellspenderdatei notwendig sind. Aus einer Blutprobe – es genügt ein Fingerhut voll Blut – werden die benötigten HLA-Gewebemerkmale im Labor bestimmt. Das gleiche funktioniert auch mit einem Abstrich der Mundschleimhaut.
Nach entsprechender Aufklärung über die Stammzellspende muss ein Spender schriftlich sein Einverständnis zu dieser Untersuchung und zur Registrierung seiner Daten geben. Im Anschluss an die Analyse werden die Daten in der Spenderdatei der Stefan-Morsch-Stiftung gespeichert. Dort werden die Gewebemerkmale (HLA-Werte), das Alter und Geschlecht sowie weitere transplantationsrelevante Werte anonym hinterlegt. Unter einer zur Identifizierung genutzten Spendernummer werden sie im Anschluss an das Zentrale Knochenmarkspender-Register Deutschland (ZKRD) übermittelt, wo die weltweiten Suchanfragen für die Patienten eingehen.
Die Daten der Spender stehen bis zu deren 61. Lebensjahr für weltweite Suchanfragen der Transplantationskliniken zur Verfügung.
Hintergrund: Die Stefan-Morsch-Stiftung
Seit fast 30 Jahren plädiert Emil Morsch, Gründer der Stiftung, für eine verbesserte Betreuung der Patienten und ihrer Angehörigen. Sein Sohn, der 16-jährige Stefan Morsch aus Birkenfeld, erkrankte Anfang der achtziger Jahre an Leukämie. Als erstem Europäer wurde ihm 1984 fremdes Knochenmark übertragen. Der Junge überlebte jedoch die Nachsorge nicht. Das ist der Grund, warum die Stiftung nicht nur für die Registrierung als Stammzellspender wirbt, sondern auch Patienten ihre Hilfe anbietet. Aus eigener Erfahrung weiß Emil Morsch, welche Komplikationen bei der Therapie auftreten können, aber auch welche finanziellen und psychischen Folgen die Patienten und deren Angehörige belasten. „Deshalb sind wir als Stiftung auch für die Patienten da – in jeder Frage.“