Beim Essener RWE-Konzern wachsen einem Medienbericht zufolge die Zweifel an der Realisierbarkeit der Nabucco-Gaspipeline. Führende Manager des Konzerns bereiteten nach Informationen des Nachrichtenmagazins „Der Spiegel“ in den vergangenen Wochen Politiker in Brüssel und Berlin bereits darauf vor, dass ein Rückzug aus dem Konsortium unmittelbar bevorstehen könnte. Die Gründe: Die ursprünglich geplanten Kalkulation hätten sich von rund acht auf etwa 15 Milliarden Euro inzwischen fast verdoppelt.
Außerdem seien nach wie vor keine tragfähigen Gasverträge mit Ländern Aserbaidschan oder Turkmenistan in Sicht. Eine abschließende Entscheidung sei bei RWE allerdings noch nicht gefallen. Mit der Nabucco-Pipeline wollte die Europäische Union den Zugang zu neuen Gasreserven in Zentralasien erschließen und die Abhängigkeit Europas von russischem Pipeline-Gas verringern. Diese Abhängigkeit droht indes größer zu werden. Das russisch-deutsche Nord-Stream-Konsortium hatte bereits am Freitag bekanntgegeben, den Bau einer zweiten Ostsee-Pipeline zu prüfen. Auch der britische Energiekonzern BP hat Interesse an einer Beteiligung signalisiert. Den Anstoß zum Bau einer zweiten Ostsee-Pipeline gab der britische Premierminister David Cameron. Bei einem Besuch in Moskau signalisierte Cameron Ende vergangenen Jahres, dass Großbritannien angesichts sinkender Rohstoffreserven im eigenen Land großes Interesse an russischen Gaslieferungen habe. Daraufhin unterbreitete Gazprom den weiteren Nord-Stream-Eignern E.on Ruhrgas, der BASF-Tochter Wintershall, Gaz de France und der niederländischen Gasunie den Vorschlag, eine weitere Pipeline zum Transport von sibirischem Gas durch die Ostsee nach Europa zu bauen. Sollte eine von den Anteilseignern in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie keine größeren Hindernisse aufzeigen, könnte eine Bauentscheidung im Jahr 2013 fallen. Nord-Stream-Manager haben in den vergangenen Wochen bereits alle vom Bau betroffenen Ostseestaaten besucht und das neue Projekt in der Politik vorgestellt. Der Bau der ersten Ostsee-Pipeline hatte vor fünf Jahren innerhalb der EU für harsche Proteste gesorgt. Vor allem osteuropäische Länder hatten befürchtet, dass Russland das Gas als politische Waffe einsetzen könne.