Lesung von Chen Kohua – ein Dichter aus Taiwan

Datum & Uhrzeit:                       Donnerstag, 18. Oktober 2012 um 18:30 Uhr

Ort:                                  Im Büro der Taipeh Vertretung

Mittelweg 144, 1. Stock, 20148 Hamburg

Werk:                               „I and I’s Synonyms“

Moderation & Übersetzung:  Martina Hasse

 

 

Chen Kohua wurde in Hualien im Osten der Insel Taiwan geboren. Er absolvierte ein Medizinstudium an der Medizinischen Hochschule in Taipei und forschte nach seinem Doktorat über Ophtalmologie in Harvard. Heute ist Chen Oberarzt der Augenabteilung des Veterans General Hospital in Taipei, Assistenzprofessor für Augenheilkunde an der National Yangming University und arbeitet auch an der Medizinischen Universität in Taipei. Chen Kohua erhielt Literaturpreise der China Times, der United Daily News, der Taiwan Literature Foundation, des Erziehungsministeriums, sowie den Jahrespreis der Vereinigung für moderne Gedichte auf Chinesisch und weitere Auszeichnungen.

 

Chen Kohuas literarisches Schaffen umspannt viele Genres. Er schreibt moderne Gedichte, Essays, Kurzgeschichten und Skizzen, Theaterstücke, Reportagen, Liedtexte und Filmrezensionen. Insgesamt hat er über 30 Bücher veröffentlicht. Manche seiner Gedichte wurden für die Bühne bearbeitet und aufgeführt. Chen Kohua ist nicht nur in der Literatur, sondern auch in der Musik, in der Malerei und als Fotograf tätig. Er produzierte eine CD mit eigenen Liedern, veranstaltete über 20 Ausstellungen seiner Bilder und Fotos und trat oft im Theater und Fernsehen auf.

 

Chen Kohuas literarische Entwicklung kann man am besten an seinen Gedichten und Essays erkennen, in denen er sich von einer „keuschen Jungfrau“ zu einem Striptease-Star und am Ende zu einer „angehenden Nonne“ verwandelte, wie er selbst anmerkt. Die frühen Gedichte aus seiner Schul- und Studienzeit sind lyrische Geständnisse jugendlicher Gefühle. Später erscheinen allmählich immer sinnlichere Verse, bis hin zu dem Buch „Köpfen steht auf Gedichte“, die Sex und Politik ungeschminkt darstellen. Damit sprengt er den traditionellen Rahmen der Lyrik und zieht die öffentliche Moral in Zweifel. Sozialer Widerstand und Umsturz der moralischen Werte werden zu Strategien seines Schreiben. Chen Kohua verbirgt seine Homosexualität keineswegs, sondern legt vielmehr in Gedichten wie „Sodomie ist notwendig“ homosexuelle Lust und den Prozess des Öffentlichmachens seiner erotischen Neigung bloß. Gleichzeitig beschäftigt er sich immer mehr mit Fragen des Lebens und des Todes, und mit den Lehren des Buddhismus. Seine Themen sind vielfältig, und seine rigorose Selbstbetrachtung ist wesentlich für den argumentativen Prozess seines Schaffens.

 

Auch Chen Kohuas Essays kommen vom lyrischen Ausdruck. Innere Gedanken zu Liebe und Schicksal treten darin zutage, wobei sich der Autor die Möglichkeiten seiner speziellen gesellschaftlichen Stellung bedient, um soziale und politische Missstände aufzuzeigen. Aber auch Sehnsucht nach der Heimat und der Jugend kommen vor. Insgesamt legt er seine Reflexionen zu Körper, Lust und Sexualität in sehr offener tabuloser Weise dar.

 

Reisen ist ein wichtiges Thema in Chen Kohuas Schaffen. Seine Reiseberichte mit Fotos betrachten langsam erfahrene Wegstrecken in fremden Ländern mit engagierter Humanität. Grundlagen der Literatur, Religion, Philosophie werden dabei überdacht und verwoben.

 

Chen Kohuas Blick geht immer über Literatur und Kunst hinaus. Seine Sprache überspringt unterschiedliche Medien und zeigt einen pluralistischen Ansatz, einen toleranten Charakter und eine Weltanschauung der harmonischen Koexistenz. Er überschreitet soziale Grenzen, sein Schreiben durchdringt unterschiedliche Ebenen und Schichten und ist reich an Ambivalenz. Viele Arten von Themen und Ausdrucksweisen beeinflussen einander, männliche und weibliche Sexualität in intertextueller Verbindung schaffen eine charakteristische Eigenheit seiner Werke.