Amalia versank kurz in ihren Gedanken und schwelgte in Erinnerungen an ihre Klamotten. Doch sie war nicht die Einzige, die die triste Kleidung der Psychiatrie trug. Anscheinend hatten auch andere so unzuverlässige Eltern wie sie. Aus heiterem Himmel schrie der zuvor noch abwesend wirkende Kerl am Tisch so schrill auf, dass Amalia vor lauter Schreck aufsprang, die Arme hochriss und das gesamte Tablett über ihren Kopf warf. Etwas von dem Essen landete in ihren langen haselnussbraunen Haaren, wo es sich zu einer rot-gelben Pampe vermischte. Der Rest klatschte auf den Boden.
»Tucccccciiiiiiii!! Du hast ihn getötet. Du Unmensch! Wie konntest du nur?«, kreischte der Junge hysterisch und schlug dabei seine Hände über dem Kopf zusammen.
»Tuci? Was ist ein Tuci?«, fragte Amalia schockiert.
»Du hast meinen Hund getötet, du Monster!«, schrie er so laut, dass sich alle in der Kantine zu ihnen wandten. Amalia begriff immer noch nicht, wovon der seltsame Typ da redete.
»Wie? Was? Welcher Hund? Ich, ich sehe nichts …« Doch sie bekam keine Antwort mehr. Alle starrten sie nur weiter an, als wären sie auf einer Viehbeschau. Verunsichert blickte sie in die unbekannten Gesichter. Ihr Puls raste, das Herz schlug ihr bis zum Hals, kalter Schweiß bildete sich in ihrem Nacken. Dem zunehmenden Druck nicht mehr standhaltend, drehte sie auf dem Absatz um und begab sich mit schnellen Schritten Richtung Ausgang, während zwei herbeigeeilte Pfleger sich um den schreienden Jungen kümmerten. Dabei versuchte sie, jeden Augenkontakt zu vermeiden. Sie wusste nicht, was sie sonst tun sollte: lachen, weinen oder einfach nur schreien? Wieder starrte sie stur auf den Boden und fragte sich unentwegt, warum immer ihr solche abstrusen Dinge widerfuhren.
Allmählich beschlich sie das Gefühl, dass ein Fluch auf ihr lastete. Womöglich hatten ihre Vorfahren eine alte Zigeunerin verärgert und das war ihre Rache. Amalia schüttelte ruckartig den Kopf, um die absurden Gedanken abzuschütteln, doch ihr Schamgefühl, das mittlerweile hochgekommen war, konnte sie nicht loswerden. Hastig öffnete sie die schwere Metalltür, quetschte sich durch den Spalt und lief, so schnell sie konnte, ohne auch nur einmal zurückzublicken. Sie gönnte sich erst eine Verschnaufpause, als sie wieder in ihrem Zimmer stand.
Erschöpft lehnte sich Amalia gegen die Tür und sank verunsichert mit zitternden Knien zu Boden. Sie zog ihre Beine näher an sich und umschlang sie mit ihren Armen. Sie wünschte sich nichts sehnlicher, als einen Schalter zu besitzen, mit dem sie alles ausschalten konnte: jedes Gefühl, jede Erinnerung, einfach alles. Das Leben ein- und ausschalten wie einen Lichtschalter und nur Momente zulassen, die einen glücklich machten … Ja, wenn es nur so einfach wäre. Sie konnte ihren Überlegungen nicht weiter folgen, denn lautes Klopfen an der Zimmertür riss sie aus ihren Gedanken.
»Wer ist da?«, rief sie, immer noch leicht atemlos Richtung Tür.
Eine tiefe, raue Stimme antwortete ihr: »Hallo, Amalia, ich bin Doktor Jones. Ich wurde von dem Vorfall in der Kantine unterrichtet.« Sie vernahm einen leisen Seufzer von dem Mann auf der anderen Seite, dann fuhr er fort: »Ich wollte nur nach dir sehen. Mir wäre es recht, wenn wir unsere Therapiesitzung vorverlegen und darüber sprechen. Ich weiß, dass wir erst in einer Stunde verabredet sind, aber … Bitte komm raus.«
© Darina D.S
Wie es weitergeht erfahren Sie hier:
… Von roten Augen beobachtet – bei Tag und bei Nacht …
Vereint durch das Vermächtnis ihrer Vorfahren sind sie untrennbar verbunden, ihre Schicksalsfäden versponnen zu einem verworrenen Netz aus Mythen und Legenden. Und doch könnten Amalia und Freya nicht unterschiedlicher sein. Mächtige Wesen stören das Gleichgewicht der Welt, in der die jungen Frauen leben. Beim Versuch, es wieder herzustellen, werden die beiden auf eine harte Probe gestellt.
Hin- und hergerissen zwischen Liebe, Freundschaft und Verrat machen sie sich daran, das Geheimnis einer alten Familienprophezeiung aufzudecken. Wird es ihnen gelingen, ihre Bestimmung zu erfüllen, oder wird die Finsternis sie und ihre Freunde verschlingen?
Produktinformation:
Taschenbuch: 464 Seiten
ISBN-10: 3966980894
ISBN-13: 978-3966980890
Herausgeber: Karina-Verlag (Nova MD); Erstauflage (30. Oktober 2020)
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Britta Kummer ist Autorin. Sie schreibt Kinder-, Jugend- und Kochbücher, wurde in Hagen geboren und wohnt heute in Ennepetal.
Zusätzlich gibt es auch zwei Bücher zum Thema MS. Diese sind aber keine Fachbücher über die Krankheit MS (Multiple Sklerose), sondern die MS-Geschichte der Autorin.
Ihr Buch „Willkommen zu Hause, Amy“ wurde im Januar 2016 mit dem Daisy Book Award ausgezeichnet. Der Kärntner Lesekreis „Lesefuchs“ vergibt in unregelmäßigen Abständen diese Auszeichnung für gute Kinder- und Jugendliteratur.
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