Nordrhein-Westfalens SPD-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft hat Bayerns Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer nachdrücklich vor der Aufkündigung der Länder-Solidarität im Zuge des Finanzausgleichs gewarnt. Zugleich forderte sie in einem Interview mit der „Leipziger Volkszeitung“ (Mittwoch-Ausgabe) rasche zusätzliche Leistungen für die westdeutschen Bundesländer, insbesondere auch für NRW. „Wir sind und bleiben beim Solidarpakt II solidarisch. Bis 2019 ist das festgeschrieben“, versicherte die SPD-Politikerin.
Aber das Gutachten der Bundesregierung zum Aufbau Ost sage auch: Förderung dürfe nicht nach Himmelsrichtung gehen, sondern nach Bedürftigkeit. „Deshalb muss der Bund auf anderen Wegen einen fairen Ausgleich schaffen.“ Es gebe eine Menge Förderprogramme des Bundes, „bei denen bekommen westliche Bundesländer, insbesondere auch Nordrhein-Westfalen, entsprechend ihrer Wirtschaftskraft und Infrastruktur viel zu wenig ab“, beklagte Hannelore Kraft. „Es kann nicht sein, dass wir fast 50 Prozent mehr Bahnhöfe haben als Bayern, aber im Verhältnis bei uns wesentlich weniger Bahnhöfe renoviert werden. Wir haben ähnliche Ungleichgewichte auch bei der Städtebauförderung“, sagte die SPD-Politikerin. „Wir bekommen nicht die Fördermittel, die uns eigentlich zustehen.“ Unter Verweis auf die massiven Ankündigungen Bayerns, rasch politisch und juristisch auf eine Neuausrichtung des Länderfinanzausgleichs zu drängen, warnte die NRW-Regierungschefin Bayern mit einer klaren Kampfansage. „Der jetzige Länderfinanzausgleich ist Ergebnis einer richterlichen Entscheidung. Er ist mit der persönlichen Zustimmung von Herrn Seehofer zustande gekommen und wurde gerade auch von der CSU damals heftig bejubelt.“ All diese Ausgleichssysteme liefen bis zum Jahr 2019. „Wenn es die CSU jetzt darauf anlegen will, dann kommt alles auf den Tisch: Das reicht vom Mehrwertsteuerausgleich bis zur Verteilung von Forschungsinvestitionen“, sagte Hannelore Kraft. „Wir in Nordrhein-Westfalen sehen dem entspannt entgegen. Wir waren Jahrzehnte Geberland und sind jetzt drei Jahre knapp Nehmerland gewesen. Bayern sollte es sich also sehr genau überlegen, ob es wirklich die Länder-Solidarität aufkündigen will.“ Die Politikerin räumte ein, dass NRW in absoluten Zahlen das Bundesland mit der größten Schulden-Aktivität sei. Das sei für das bevölkerungsreichste Land aber nicht verwunderlich. Bei der Pro-Kopf-Verschuldung liege NRW aber im Mittelfeld. „Tatsache ist: Wir bauen Schulden ab, wir sind auf einem harten Konsolidierungsweg, um die Schuldengrenze einzuhalten“, versicherte die SPD-Politikerin. „Aber darüber dürfen wir das Land nicht kaputtsparen. Wir müssen in Kinder, Bildung, Vorbeugung und Kommunen investieren, um eine gute Zukunft zu sichern.“ Hinzu komme, Länder und Kommunen litten unter struktureller Unterfinanzierung. „Da sagen wir klipp und klar: Hier muss der Bund möglichst schnell Abhilfe schaffen.“