Der italienische Ministerpräsident Mario Monti hat vor anti-europäischen Protesten in seinem Land gewarnt. „Wenn es für die Italiener in absehbarer Zeit nicht greifbare Erfolge ihrer Spar- und Reformbereitschaft gibt, wird in Italien ein Protest gegen Europa entstehen, auch gegen Deutschland, das als Anführer der EU-Intoleranz gilt, und gegen die Europäische Zentralbank“, sagte Monti in einem Interview der Tageszeitung „Die Welt“ (Mittwoch). „Ich fordere von den Italienern schwere Opfer – diese kann ich ihnen aber nur abverlangen, wenn sich dafür konkrete Vorteile abzeichnen.“
Als Beispiel für ein Entgegenkommen der EU nannte er eine Senkung des Zinssatzes. Monti warnte: „Ich kann aber mit meiner Politik keinen Erfolg haben, wenn sich die Politik der EU nicht ändert. Und wenn das nicht geschieht, könnte Italien – das immer ein sehr europafreundliches Land gewesen war – in die Arme von Populisten flüchten.“ Zugleich forderte der Regierungschef eine größere Rolle Italiens in der EU. „Die gute Kooperation des französisch-deutschen Tandems ist eine notwendige Voraussetzung für Europas Fortentwicklung. Aber das reicht nicht, schon gar nicht in einem Europa der 27“, sagte Monti. Den schlimmsten Fehler in der EU in den vergangenen zehn Jahren hätten Deutschland und Frankreich begangen, als sie 2003 die Maastricht-Kriterien missachtet hätten. „Beide Länder sollen sich daher nicht allzu sehr erheben“, empfahl er. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy „würden einen schweren Fehler machen, wenn sie glaubten, sie alleine könnten die EU meistern“, so Monti. „Europa muss mehrere Zentren haben. Und Italien ist eines von ihnen.“ Auf die Nachfrage, ob Italien wieder ein zentraler Player in der EU werden wolle, sagte er: „In der Tat, das wollen wir. Und ich glaube, viele in Europa sind der Meinung. Wir sind ein starkes, ein stolzes Land, und wir haben eine im Prinzip effektive Wirtschaft.“ Zugleich lobte Monti Deutschland als Vorbild. „Ich hatte immer ein Verhältnis gegenseitiger Achtung zu Frau Merkel, ich hatte immer ein ausgezeichnetes Verhältnis zu Ihrem Finanzminister Schäuble“, so Monti. Er habe „immer für ein Italien gearbeitet, das so weit als möglich Deutschland ähneln soll“. Er sei für ein Europa des Wettbewerbs, das „so weit als möglich der Idee von sozialer Marktwirtschaft verpflichtet sein soll, die von Ludwig Erhard stammt“. Der Regierungschef betonte: „Ich mag Deutschland sehr. Vor allem wegen seiner größten Errungenschaft, der sozialen Marktwirtschaft.“ Sie sei „ein wunderbares Modell“. Deutschland sei „das Land, das Europa am meisten gegeben hat – nämlich ein funktionierendes, gut ausgewogenes Gesellschaftsmodell“.