Historiker: Honecker erwog deutsch-deutsche Konföderation mit Lafontaine

Der ehemalige DDR-Machthaber Erich Honecker soll kurz vor dem Zusammenbruch der SED-Herrschaft mit dem Gedanken an eine deutsch-deutsche Doppelspitze mit ihm im Osten und dem damaligen SPD-Politiker Oskar Lafontaine im Westen gespielt haben. Der Leiter des Zentrums für Zeithistorische Forschung in Potsdam, Martin Sabrow, sagte der „Zeit“, Honecker habe 1989 angesichts der Krise in der DDR „mit dem Gedanken an eine deutsch-deutsche Konföderation unter der Führung des Saarländers Honecker in Ostdeutschland und des Saarländers Oskar Lafontaine im Westen gespielt“. Honecker, der wie Lafontaine aus dem Saarland stammt, wäre am 25. August 100 Jahre alt geworden.

Nach Angaben des Historikers deuten manche Indizien darauf hin, „dass Honecker seinen sentimentalen Saarpatriotismus als historische Chance begriffen haben könnte“. Ohne das Eingreifen der aufbegehrenden DDR-Bevölkerung „hätten nach den Bundestagswahlen 1990 und dem vorgezogenen zwölften Parteitag der SED im selben Jahr womöglich mit Honecker und Lafontaine zwei Saarländer an der Spitze der deutschen Staaten gestanden. Dass danach der Tausch von wirtschaftlicher Hilfe gegen politische Erleichterungen zu einer deutsch-deutschen Vertragsgemeinschaft hätte führen können, wäre kein völlig absurdes Kalkül Honeckers gewesen“, sagte Sabrow. Die These könne erklären, warum der greise Diktator sich bis zur Entmachtung „starrsinnig an seiner aussichtslosen Herrschaft festklammerte“. Lafontaine spielte bei dem möglichen Planspiel laut Sabrow keine aktive Rolle. Der 1912 im Saarland geborene Honecker war von 1976 bis zum Wendejahr 1989 der Chef des SED-Staats. Er starb 1994 im Exil in Chile.