Hermann Rastorfer: Lebenslinien

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Im Kunstforum Wien wird ab dem 9. September 2022 eine repräsentative Übersicht des Schaffens von Hermann Rastorfer zu sehen sein, die an seine erfolgreiche Museumsausstellung in Salzburg anschließt. Hermann Rastorfer (Salzburg, 1930–2009) war ein bewunderter österreichischer Künstler und einflussreicher Designer. Die Retrospektive wird sein künstlerisches Schaffen mit seinen modernen Designs kontrastieren, die die deutsche Werbelandschaft des zwanzigsten Jahrhunderts bis heute geprägt hat. Viele seiner ikonischen Entwürfe sind bis heute in Gebrauch.

Das Werk Hermann Rastorfers kann als das eines Universaltalents der Renaissance angesehen werden. Er war Maler, Zeichner, Bildhauer, Erfinder, Architekt und Grafiker. Er zog die Unabhängigkeit der finanziellen Sicherheit vor und bahnte sich seinen Weg zum Erfolg durch Leidenschaft und die feste Überzeugung, dass die Welt ein Schauplatz für Wunder ist, die es zu vollbringen gilt.

1958 schrieb Eberhard Hölscher in der Monatsschrift zur Förderung künstlerischer Werbung über den damals 28-jährigen Hermann Rastorfer: „Er steht zwar seinen eignen Arbeiten äussert kritisch gegenüber, gehört aber zu jenen ursprünglichen Begabungen, die weniger aus rationellen Erwägungen als aus einem instinktiven Empfinden für das Richtige heraus an ihre Arbeit gehen“. Dies galt sein ganzes Leben lang.

Hermann Rastorfer erlernte von 1945 bis 1949 den Beruf des Schriftsetzers, der ihm viele der Fähigkeiten vermittelte, die die Grundlage für seine spätere Arbeit in der Werbung bilden sollten. Von 1948 bis 1962 erhielt er Aufträge für Illustrationen für die Salzburger Nachrichten. Parallel dazu begann er zu malen und zu zeichnen. Einige seiner frühen Arbeiten wurden 1949 in einer Gruppenausstellung in der berühmten Galerie Welz in Salzburg gezeigt, die 1899 gegründet wurde.

Hermann Rastorfer schrieb 2008: „Ich sollte schliesslich meine weitere künstlerische Entwicklung an Welz binden. Das aber war nicht mein Ziel. Damals wuchs die Erkenntnis, dass ein „freier“ Künstler so frei nicht sein konnte.“ 

Hermann Rastorfers künstlerische Inspiration reicht zurück bis in die Antike mit zeitlosen Themen wie der griechischen Mythologie, fordert aber auch die Kulturgeschichte mit Mozart heraus. Auch die Darstellung der menschlichen Anatomie war ein Thema, dem er sich unermüdlich näherte, auf klassische Weise mit der Studie Ecce Homo, aber auch mit zeitgenössischen Einflüssen wie den Schädeln von Jean-Michel Basquiat. Sein künstlerisches Schaffen war leidenschaftlich und produktiv und wird von zeitgenössischen Kunsthistorikern als authentisch und einzigartig in seiner Form beschrieben.

Dr. Christiane Vielhaber, eine renommierte Kunstkritikerin und Autorin, stellt 2008 fest: „Versteht man unter Expressionismus jene künstlerische Ausdrucksform, die das Innerste nach aussen kehrte und die in der sichtbaren Körperhülle das auszudrücken vermochte, was sich unsichtbar im Inneren verbirgt […], dann zögere ich keinen Augenblick, Hermann Rastorfer als einen Expressionisten der ganz eigenständigen Art zu bezeichnen und aufrichtig zu loben.“ 

Bei Hermann Rastorfer sind die Grenzen zwischen Kunst und Design fließend, beide Tätigkeitsbereiche stehen in ständigem Dialog miteinander. Im Jahr 1954 gründete er seine eigene Werbeagentur und etablierte sich sehr schnell als Schlüsselfigur der Branche. Seine Entwürfe wurden für ihre klare Konzeption mit übergreifenden Gestaltungselementen gefeiert. Tatsächlich wandte Rastorfer die Prinzipien des modernen Corporate Designs an, lange bevor sich dieser Begriff in Deutschland etablierte, eine Leistung, die in mehreren Artikeln in der Zeitschrift Gebrauchsgraphik gewürdigt wurde. Er qualifizierte visuelles Marketing als: „Unter dem visuellen Marketing verstehen wir ein umfassendes Zusammenwirken aller Faktoren, welche ein Unternehmen und sein Produkt in Erscheinung treten lassen“. 

Andreas Koop (Designer und Professor für Typografie und Design) schrieb für das Design Austria Buch über Hermann Rastorfer: „Es wird kaum jemanden geben, der nicht einmal in seinem Leben ein von Rastorfer gestaltetes Produkt in Händen gehalten hat“.

Einige seiner großen Projekte waren Briefmarken für die Deutsche Bundespost, Plakate für die Deutsche Bundesbahn und die berühmte Volkswagen-Kampagne mit dem Slogan „Einen VW müsste man haben!“, die das Image des Unternehmens in den 50er und 60er Jahren mitprägte. In den 1950er und 1960er Jahren revolutionierten kleine, erschwingliche Taschenbücher mit attraktiver Umschlaggestaltung den Buchmarkt und Rastorfer prägte das Erscheinungsbild dieser neuen Buchgattung im deutschsprachigen Raum entscheidend mit. Für die Verlage Ullstein, Fischer und Droemer Knaur schuf er im Laufe der Jahre Hunderte von Einbänden für Belletristik und Sachbücher.

In den 1960er Jahren spezialisierte sich Rastorfer auch auf die Werbung und das Verpackungsdesign für pharmazeutische Produkte und die Lebensmittelindustrie. Für Boehringer Ingelheim setzte das Studio Rastorfer erfolgreich ein effektives und zeitloses Farbcodierungsdesign um, das noch heute auf Verpackungen verwendet wird. Für Ferrero ging Rastorfer mit einer neuen Herangehensweise an das umfangreiche Produktsortiment und gab Ferrero Küsschen eine eigene von ihm kreierte geometrische Verpackung, einen eigenen Namen und eine eigene Kampagnenidentität.

Während dieser erfolgreichen Jahre im Marketing florierte auch Hermann Rastorfers eigene künstlerische Praxis. Seine Ölgemälde und Zeichnungen sind heute in vielen internationalen Sammlungen vertreten. Seine Bronzeskulpturen, die in den Fußstapfen von Rodin und Maillol stehen, geben der bildhauerischen Tradition eine rohe und zeitgemäße Wendung, sind aber immer noch auf die Figuration ausgerichtet. Seine Skulpturen sind in ständigen Ausstellungen von Peking bis Salzburg zu sehen.

Die Hermann Rastorfer-Ausstellung im Kunstforum Wien würdigt das Werk des Künstlers, Marketingprofis und bemerkenswerten Menschen. Sein Vermächtnis in der Welt des kommerziellen Designs wirkt bis heute nach. Was Hermann Rastorfer jedoch von seinen Kollegen unterscheidet, ist sein Wille, in seiner Kunst unabhängig zu bleiben, seine Vision und seine Hingabe für das Schöne.