Zauberhaft ist es. Und geheimnisvoll: Das im 19 Jahrhundert erbaute Lola Montez Haus in Harlaching. Berühmt wurde es als angebliches Liebesnest von König Ludwig I. und Lola Montez. Heute ist die einstige Schmiede ein sehr beliebter Veranstaltungsort.
Klarer Fall: Die zweit sind verliebt. Langsam gehen sie durch das kleine alte Haus. Draußen regnet es, im benachbarten Gutshofe Menterschwaige ist es ruhig. Nein, es sind nicht König Ludwig I. und Lola Montez, sonder ein junges Paar, das bald heiraten wird und das Lola Montez Haus unter die Lupe nimmt. Viele Pärchen wollen dort Hochzeit feiern. Auch Geburtstage, Sommerfeste, Weihnachtsfeiern, Fotoshootings oder Filmaufnahmen – vieles ist hier möglich. „Vorausgesetzt es passt zum Haus“, sagt der Prof. Wiedenmann, dem das Lola Montez Haus gehört. Wer das im Stil eines Schweizer Chalets erbaute Haus zum ersten Mal betritt, verfällt zwangsläufig seinem Charme. So wieder König einst seiner Lola. Die Liebesgeschichte wurde tausend Mal erzählt.
1846 kam die irische Tänzerin nach München, verdrehte König Ludwig I. den Kopf, wurde zu seiner Geliebten. Ludwig I. versorgte sie nicht nur mit Geld, sondern auch mit der bayerischen Staatsbürgerschaft. Im Streit darüner entiess er sein Kabinett, erhob Lola Montez sogar zur Gräfin von Landsfeld. Lola wiederum brachte mit ihrer Art die Münchner gegen sich auf – und die Studentenschaft. Als Ludwig I. mit der Schließung der Universitäten reagierte, kam es zu Unruhen. Am 11. Februar 1848 floh Lola Montez in die Schweiz, wenig später dankte Ludwig I. ab.
Aus dieser verhängnisvollen Liaison stammen auch die Geschichten, die sich um das Lola Montez Haus ranken. Das Haus, das einst Liebesnest des Königs und seiner Tänzerin gewesen sein soll. Doch war Lola Montez tatsächlich hier? Traf die verwegene Tänzerin sich im Haus des Schmieds mit dem König? Versteckte sie sich dort kurz vor ihrer Flucht, als eine aufgebrachte Menge ihr Palais in der Barerstraße belagerte? In vielen Biografien ist davon die Rede, belegt ist nichts. Für Prof. Frank Maria Wiedenmann war derlei Romantik nebensächlich, als er das Haus erwarb. „Im Gegenteil fand ich es gerade wegen den Schikanen beim Neuaufbau nur belastend, mit dem geschichtlichen Hintergrund konfrontiert zu sein“, erzählt er.
Als er das Haus 1996 kaufte, war es eine abbruchreife Ruine. Dach und Fenster fehlten, die unteren Räume glichen einer Müllhalde. Er kannte es seit Jahrzehnten, von Spaziergängen an der Hochleite, seitdem geisterte ihm das Salettl im Kopf herum. Als sich die Gelegenheit bot, griff Wiedenmann sofort zu. „Aus Dummheit“, wie er heute sagt. Die Auflagen des Denkmalschutzes machten die Restaurierung zur kniffligen Angelegenheit.
Nach drei Jahren war es geschafft. Am 3. Juni 1999 wurde das Lola Montez Haus eingeweiht. Wiedenmann schenkte es, versehen mit einer riesigen Schleife, seiner Frau. Den Schlüssel überreichte OB Christian Ude. Ein wenig habe er schon gehofft, bei den Bauarbeiten auf einen Beweis für Lola Anwesenheit in dem Haus zu stoßen, gibt der 67-jährige zu. Eine Hoffnung, die sich aber nicht erfüllte: „Aber wir fanden ein Pulverhorn mit den Insignien König Ludwig I.“ Immer hin. Doch Beweise hin oder her: „Ich halte es nicht für wesentlich“, sagt Wiedenmann: „Es gibt Geschichten und Geschichtchen – sind letztere nicht viel spannender?“
Über den historischen Wahrheitsgehalt der Liebesnest-These gehen die Meinungen auseinander. „Man weiß es nicht“, sagt der Münchner Historiker Hans-Michael Körner. Der Professor ist einer der besten Kenner bayerischer Geschichte des 19. Jahrhunderts. Für ihn seien ohnehin die politischen Aspekte der „Affäre Lola Montez“ – so auch der Titel eines Dokumentarfilms, für den sich Körner vor einigen Jahren in München auf Spurensuche begab – viel interessanter.
Der Leiter des Geheimen Hausarchivs München und stellvertretender Direktor des Bayerischen Hauptstaatsarchivs, Gerhard Immler, bezeichnet die Geschichte vom königlichen Liebesnest als Legende: „Es gibt keine schriftliche Überlieferung, die darauf hindeutet.“ Zu einem ähnlichen Fazit kommt die Münchner Historikerin Dorle Gribl: „Ein reines Märchen“. In ihrem Buch „Harlaching und die Menterschwaige. Vom Edelsitz zur Gartenstadt“ verweist sie auf den Briefwechsel zwischen dem König und seiner Geliebten. Dieser belege, dass sich Lola 1848 „nach dem vergeblichen Versuch, in der Residenz Zuflucht zu finden, in einer Kutsche nach Großhesselohe begab.“ Noch am Abend sei verkleidet nach München zurückgekehrt, habe schließlich auf Schloss Blutenburg Zuflucht gesucht und sei dann über Lindau in die Schweiz geflohen.
Ob Lola Montez jemals in der Menterschwaige übernachtete, lasse sich nicht mit Gewissheit sagen, schreibt Gribl. Allerdings deute viel darauf hin, dass sie sich im April 1847 zumindest einmal dort aufhielt. In einem an ihren Mann berichtet Josefine Kaulbach folgendes: Um ein Duell zu verhindern, habe sich Lola Montez eilig zu Menterschwaige kutschieren lassen und sei die Nacht über dort geblieben. Allerdings nicht im Lola Montez Haus, da ist sich Gribl sicher. „Das stand damals noch gar nicht.“ Das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege datiert das als mögliche Entstehungszeit des Gebäudes die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts. Dann wäre da noch dieses Bild: Eine Gouache von Breitmann. Datiert 1837. Die Beschreibung: „Das sogenannte Lola Montez Haus bei der Menterschwaige. Das Nebenhaus mit Außentreppe inmitten von hohen Bäumen.“ Das Original hängt im Lola Montez Haus. Das abgebildete Gebäude sieht anders aus als das heutige Salettl. „Aber so viel anders auch nicht“, findet Wiedenmann. Stand es als Vorgängerbau an derselben Stelle? Wurde es in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts abgerissen? Oder nach Lolas Flucht umgebaut? Wer weiß. Die romantischen Geschichtchen ziehen jedenfalls das Publikum an. Die Technik genügt modernen Ansprüchen, bleibt aber dem Auge verborgen. Nichts soll die romantische Atmosphäre stören. Das kommt gut an. Sogar internationale Stars waren schon da. „Zum Beispiel Peter Ustinov, bei einer Matinee“, erzählt Wiedenmann.
Und Lola? War in Wahrheit gar keine Spanierin namens Montez. Sondern stammte aus Irland und hieß Elizabeth Rosanna Gilbert. Eine clevere Schönheit, die in ganz Europa dank ihrer Affären und exzentrischen Auftritte bekannt war, die auch München aufmischte und dem König so sehr den Kopf verdrehte, dass er am Ende die Krone verlor. Vermutlich hätte die Femme fatale ihre Freude gehabt, hätte sie gewusst, wie sehr die Geschichte vom königlichen Liebesnest noch 150 Jahre später die Phantasie der Menschen beflügelt. Lola Montez fand übrigens in Großbritannien und Amerika ihr Auskommen. Die starb, erst 39-jährig, am 17. Januar 1861 in New York.