Haftung des Hostproviders für persönlichkeitsrechtsverletzende Äußerungen

– Landgericht Berlin erweitert Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes –

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Rechtsanwalt Ralf Hornemann, Dr. Schulte und Partner Rechtsanwälte, Berlin

Im Rahmen der Veranstaltungsreihe der Dr. Schulte und Partner Rechtsanwälte zu wichtigen Themen des Internetrechts fand am 03. November 2012 bei den Rechtsanwälten ein Seminar zu den aktuellen Gerichtsentscheidungen statt. Diesmal wurde das Urteil des Landgerichts Berlin vom 05.04.2012, Az. 27 O 455/11 besprochen.

Rechtsanwalt Ralf Hornemann, Experte für Neue Medien der Kanzlei, führt in den Problemkreis ein: „Nach dem Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH, Urteil vom 25.10.2011 – VI ZR 93/10) haftet ein Hostprovider für rechtswidrige Einträge in Blogs als Störer, sobald er Kenntnis von diesen hat. Eine Verpflichtung, diese Blogeinträge vor Veröffentlichung auf eventuelle Rechtsverletzungen zu überprüfen, besteht nicht. Wird der Hostprovider durch einen Betroffenen auf eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts durch den Nutzer eines Blogs hingewiesen, kann der Hostprovider als Störer verpflichtet sein, zukünftig derartige Verletzungen zu verhindern. Das Urteil des Landgerichts Berlin überträgt diese Störerhaftung nun auf sogenannte Erfahrungsberichte im Rahmen von Geosuchdiensten im Internet.“

Dem lag folgender Fall zugrunde:

Auf den Seiten des Geolokalisations- bzw. Geosuchdienstes eines bekannten Internetkonzerns aus Kalifornien war bei Eingabe bestimmter Suchbegriffe über einen Arzt aus Berlin, der kosmetische Chirurgie betreibt, folgender persönlicher Erfahrungsbericht zu finden:

„Vorsicht!!!!!!!!!!! der Fuscher!!!! schlimmer kann man einen Menschen nicht verunstalten: seit dieser „Behandlung“ kann ich nicht mehr anziehen, was ich will, ich muss genau überlegen womit ich was abdecken kann. Meine Arme, Mein Po- alles mit Dellen überseht und hängt unvorstellbar hässlich ab. Was ich schon investiert habe in Korrekturoperationen-> nichts hilft mehr! Seid vorsichtig! Seid gewarnt!!! Er ist furchtbar!“

Diesen Eintrag wollte der Kläger zur Löschung bringen. Die Beklagte verteidigte sich mit den hinlänglich bekannten Argumenten: der streitgegenständliche „Erfahrungsbericht“ enthalte eine zulässige Meinungsäußerung, zumal dort subjektive Empfindungen (Enttäuschung), gefühlsbasierte Werturteile („hässlich“, „entstellt“), Vorwürfe („Fuscher“) und Appelle an andere zum Ausdruck kämen. Schmähkritik sei dem Erfahrungsbericht fremd. Gewerbetreibende wie der Kläger müssten in einer demokratischen und pluralistischen Gesellschaft es hinnehmen, dass ihr unternehmerisches Angebot Gegenstand des öffentlichen Diskurses werde und öffentlich geäußerte Kritik ebenso ertragen, wie er öffentliche geäußertes Lob zur Eigenwerbung nutzen dürfe. Vor allem im Gesundheitsbereich sei ein Kommunikationsdienst wie der der Beklagten für die Transparenz und den Verbraucherschutz im lokalen und regionalen Bereich wichtig, da der Dienst das Informationsgefälle zwischen dem Unternehmer und Verbraucher abmildere. Zudem hätten auch andere Patienten – anonym – persönliche Kritik an den Dienstleistungen des Klägers geäußert.

Sofern man in dem Erfahrungsbericht dagegen eine Tatsachenbehauptung sehen wolle, meint die Beklagte, der Kläger habe ihre Unwahrheit nicht nachgewiesen. Dabei müsse die Unwahrheit vom Kläger dargelegt und bewiesen werden, da eine Umkehrung der Beweislast nach dem Rechtsgedanken des § 186 StGB für den technischen Verbreiter nicht gelte; dieser sei weder Täter noch Teilnehmer einer „Tat“ nach § 186 StGB. Ferner meint die Beklagte, dass die Grundsätze der Haftung des so genannten technischen Verbreiters einen Unterlassungsanspruch des Klägers nicht stützten.

Nach lebhafter Diskussion im Kreise der Teilnehmer erläutert Gründungspartner Rechtsanwalt Dr. Thomas Schulte das Urteil des Landgerichts:

„Dem Kläger steht gegen die Beklagte bezüglich des angegriffenen „Erfahrungsberichts“ ein Unterlassungsanspruch aus §§ 823 Abs. 1, analog 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB i.V.m. Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG zu.

Eine Haftung kommt nur unter dem Gesichtspunkt der Störerhaftung in Betracht. Denn die Äußerungen sind von einem unbekannten Nutzer getätigt worden. Die Beklagte ist ein so genannter Host Provider und damit lediglich technische Verbreiterin der beanstandeten Inhalte. Für die Haftung der technischen Verbreiter von Informationen sind in der Rechtsprechung besondere Leitlinien entwickelt worden.

Als Störer zur Unterlassung verpflichtet ist, wer, ohne Täter oder Teilnehmer zu sein, in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Beeinträchtigung des Rechtsguts beiträgt. Die Störerhaftung darf jedoch nicht übermäßig auf Dritte erstreckt werden, welche die rechtswidrige Beeinträchtigung nicht selbst vorgenommen haben. Voraus gesetzt wird die Verletzung zumutbarer Verhaltenspflichten, insbesondere von Prüfungspflichten. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem Störer eine Prüfung zuzumuten ist.

Ein Hostprovider ist nicht verpflichtet, die von den Nutzern in das Netz gestellten Beiträge vor der Veröffentlichung auf eventuelle Rechtsverletzungen zu überprüfen. Er ist aber verantwortlich, sobald er Kenntnis von der Rechtsverletzung erlangt. Weist ein Betroffener den Hostprovider auf eine Verletzung seines Persönlichkeitsrechts durch den Nutzer eines Blogs hin, kann der Hostprovider als Störer verpflichtet sein, zukünftig derartige Verletzungen zu verhindern. Das hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 25. Oktober 2011, Aktenzeichen VI ZR 93/10, entschieden.

Problematisch ist bei der behaupteten Verletzung von Persönlichkeitsrechten die Feststellung einer Rechtsverletzung. Sie erfordert eine Abwägung zwischen dem Recht des Betroffenen auf Schutz seiner Persönlichkeit sowie Achtung seines Privatlebens und dem geschützten Recht des Providers auf Meinungs- und Medienfreiheit. Ist der Provider mit der Beanstandung eines Betroffenen konfrontiert, ist eine Ermittlung und Bewertung des gesamten Sachverhalts erforderlich. Regelmäßig ist zunächst die Beanstandung an den für den Inhalt eines Blogs Verantwortlichen weiterzuleiten. Bleibt eine Stellungnahme innerhalb einer angemessenen Frist aus, ist von der Berechtigung der Beanstandung auszugehen und der beanstandete Eintrag zu löschen. Stellt der für den Blog Verantwortliche die Berechtigung der Beanstandung substantiiert in Abrede und ergeben sich deshalb berechtigte Zweifel, ist der Provider grundsätzlich gehalten, vom Betroffenen gegebenenfalls Nachweise zu verlangen, aus denen sich die behauptete Rechtsverletzung ergibt. Bleibt eine Stellungnahme des Betroffenen aus oder legt er Nachweise nicht vor, ist eine weitere Prüfung nicht veranlasst. Ergibt sich eine rechtswidrige Verletzung des Persönlichkeitsrechts, ist der beanstandete Eintrag zu löschen.

Das Landgericht Berlin erstreckt diese Grundsätze auch auf diesen Fall, obwohl es sich bei der beanstandeten Äußerung nicht um einen „Blog“ im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs handelt; die Grundsätze des Bundesgerichtshofs gelten aber auch für solche Einträge. Es handelte sich bei dem „Erfahrungsbericht“ um eine Tatsachenbehauptung und der Kläger hatte die Beklagte in ausreichender Weise auf eine mögliche, hieraus entspringende Persönlichkeitsrechtsverletzung hingewiesen, ohne dass die Beklagte ihrer Verpflichtung, die Stellungnahme des für den Blog Verantwortlichen einzuholen und bei deren Ausbleiben den Eintrag zu löschen, nachgekommen wäre.“

Fazit des Abends: Niemand darf ungestraft Verleumdungen verbreiten, auch nicht getarnt unter dem Deckmantel von Erfahrungsberichten. Als Handlungsmaxime für den Verletzten dient folgende Reihenfolge: zuerst ist der Provider von der Rechtsverletzung in Kenntnis zu setzen und zur Löschung aufzufordern. Reagiert dieser nicht, kann er gerichtlich zur Löschung angehalten werden.

V.i.S.d.P.:

Ralf Hornemann
Rechtsanwalt
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