Der österreichische Maler Gustav Klimt, der um die Wende zum 20. Jahrhundert lebte, gilt als der bekannteste wie auch bedeutendste Vertreter des Jugendstils. Diese kunsthistorische Epoche erfreut sich heute größter Beliebtheit. Als der Begriff aufkam, hatte er jedoch einen negativen oder zumindest kritischen Beigeschmack. Zu stark empfanden die Zeitgenossen die Nähe zur Massenproduktion, die durch die Industrialisierung möglich geworden war und oftmals ausufernde Verzierungen zeigte. Damit schienen die Gegenstände oder Bilder zu weniger hochwertigen Darstellungsformen zu zählen.
Der Jugendstil findet sich in der Architektur ebenso wie in Gebrauchsgegenständen und natürlich in der Malerei. In allen drei Bereichen bedeutet er eine Abkehr vom bis dahin geschätzten Historismus, der die geraden Formen bevorzugte und auf Gemälden die Umgebung naturgetreu nachbildete.
Dagegen gibt es auf den Bildern des Jugendstils – und denen von Gustav Klimt in besonderem Maß – viele geschwungene Linien. Florale Elemente beherrschen die Gemälde. Sie sind meist flächig dargestellt und fließen vielfach ineinander. Dennoch sind die Blüten, Blätter und Ranken sehr gut zu erkennen, wenn sie auch ein harmonisches Ganzes bilden. Die abgebildeten Personen lösen sich vielfach fast darin auf. Somit ist auch die symmetrische Darstellung weitgehend aufgehoben. Allerdings ist zu beachten, dass in den einzelnen europäischen Ländern und selbst innerhalb derer verschiedene Ausformungen der Mal- und Gestaltungstechnik vorherrschten.
Gustav Klimt – eins der berühmtesten Bilder: Der Kuss
Der Kuss zählt zu den bekanntesten Bildern von Gustav Klimt. Und nicht nur das. Es stellt auch eins seiner Meisterwerke dar. Das Bild entstand in den Jahren 1907/08, einer Phase, aus der mehrere seiner in meisterlicher Vollendung gemalten Bilder hervorgingen. Diese Zeitspanne bezeichnen die Kunstkritiker als die Goldene Periode Gustav Klimts; golden, weil er jetzt besonders oft und weit verbreitet Goldtöne in seine Bilder brachte.
Die Goldnuancen wirkten auf seine Zeitgenossen wie magisch. Die Assoziation des Kostbaren, die dem Edelmetall anhaftet, entsprach durchaus dem Zeitgeschmack. Denn in diesen Jahren waren Reichtum und Wohlstand nicht mehr ausschließlich dem Adel vorbehalten; vielmehr konnten sich auch andere Schichten mehr viel leisten als zuvor. Hinzu kommt, dass goldene Elemente ebenfalls mit religiösen Darstellungen in Zusammenhang stehen – man denke nur an die goldenen Heiligenscheine oder an die oft genug goldfarbig ausgeschlagenen Gewänder speziell von Maria.
Dass Gustav Klimt bei seinem Bild Der Kuss (und anderen Gemälden dieser Zeit) so üppig vom Gold Gebrauch macht, stellt das Paar in einen ganz eigenen Kontext. Durch das Gold wird die Liebe fast überhöht gezeichnet. Zugleich ist sie doch sehr plastisch. Denn die Frau kniet vor dem Mann, der sich zu ihr hinunterbeugt. Die weibliche Hingabe und die Aktion des Mannes stellen die seinerzeit vorherrschende Sicht der Geschlechter dar. Die kommt auch in der Kleidung beider zum Ausdruck: Das Kleid der Frau ist geblümt, während der Mann in eine Art Umhang gehüllt ist, der aus vielen eckigen Elementen zusammengesetzt ist. Klimt hat diese Gegensätze zu einem harmonischen Gesamtgefüge vereint. Die innige Liebe ist indessen bedroht, da sich das Paar dicht an einem Abgrund befindet. Und alles wird überstrahlt von dem leuchtenden Gold, das die Szene fast ein wenig überhöht.
Gustav Klimt – seine künstlerische Entwicklung
Schon früh zeigte sich bei Klimt die besondere künstlerische Begabung. Anstatt den Beruf des Vaters, eines Goldgraveurs, zu erlernen, erhielt er ein Stipendium und studierte an einer Wiener Kunstgewerbeschule. Wenig später fertigte er Bilder für Wände und Decken in öffentlichen Gebäuden an, die auch prämiert wurden, und trat 1891 dem Wiener Künstlerhaus bei. Bereits sechs Jahre später beendete er seine Mitgliedschaft, da er mit den starren, ganz dem Historismus verschriebenen Kunstauffassungen nicht einig war. So war es nur logisch, dass er zu den Vorreitern der Wiener Secession (= Abspaltung) gehörte, wie der Jugendstil in Österreich benannt war.
Auch dort blieb er jedoch nicht lange: Bereits 1905 beendete er seine Mitgliedschaft in der Wiener Secession – seine Malerkollegen hatten ihm eine allzu naturalistische Malweise vorgeworfen. Dieser Stil ist es indessen, der Gustav Klimt letztlich so berühmt machte, allerdings mit gewissen Einschränkungen. Denn Klimt darf mit Recht als ein Maler bezeichnet werden, dem die Verbindung von Natur und idealistischer Darstellung meisterhaft gelungen ist. Selbst seinen Frauenbildnissen, die sehr naturgetreu erscheinen, haftet eine gewisse Überhöhung an, die möglicherweise seinen Kollegen verborgen blieb. Speziell die weiblichen Porträts strahlen ein ungeheuer erotisches Flair aus, das sich auch in seinem übrigen Bildern zeigt.