Gültigkeit einer Unterlassungserklärung

30 Jahre oder lebenslang?

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Gültigkeit einer Unterlassungserklärung

Auch wenn es in dem Urteil des Bundesgerichtshof (Urteil des BGH vom 06.07.2012, Az. V ZR 122/11) bei einem ersten kurzen Überflug dieser Entscheidung um eine erbrechtliche Fragestellung geht, die im Erbrecht zudem sicherlich ein eher seltenes Randproblem darstellt, sind die Auswirkungen dieser Entscheidung bei genauerer Betrachtung im Urheberrecht, Marken- und Wettbewerbsrecht von nicht zu unterschätzender Bedeutung.

Dies vor dem Hintergrund, dass jährlich alleine hunderttausende sogenannte Filesharing-Abmahnungen durch die entsprechenden Rechteinhaber und ihre Kanzleien versendet werden und mit diesen Schreiben jeweils zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung aufgefordert wird. Hinzu kommt noch eine Vielzahl von Abmahnungen im gewerblichen Bereich, mit dem gleichen Ziel: Einer vertraglichen strafbewehrten Unterlassungsvereinbarung.

Dabei ist die Problematik, über die der BGH im erwähnten erbrechtlichen Zusammenhang zu befinden hatte, im gewerblichen Rechtsschutz nicht neu: Gilt eine strafbewehrte Unterlassungserklärung für 30 Jahre oder gar lebenslang? Die Literatur zu dieser Frage muss wohl nach der Entscheidung des BGH umgeschrieben werden. Die Bedeutung in der Praxis wird erheblich sein, wie zwei Beispiele verdeutlichen sollen:

a)Im privaten Bereich: Hat z.B. ein heute Zwanzigjähriger gerade eine strafbewehrte Unterlassungserklärung auf Grund des unerlaubten Up- oder Download eines Films unterzeichnet, wäre er, eine 30-jährige Gültigkeit der Unterlassungserklärung vorausgesetzt, mit 51 Jahren nicht mehr an diese gebunden. Beachtet man zum Beispiel, dass dieser Unterlassungsschuldner mit 51 Jahren u.U. Kinder hat, die über seinen Internetanschluss, für den er als Zustandsstörer sodann haftet, ebenfalls illegal downloaden, wird der Unterschied zwischen der zeitlichen Begrenzung auf 30 Jahre und „lebenslang“ schnell klar: Neue Abmahnung für Filesharing, wenn die alte Unterlassungserklärung keine Gültigkeit mehr hätte oder die Zahlung einer Vertragsstrafe bei entsprechender Gültigkeit der alten strafbewehrten Unterlassungserklärung!

b)Im gewerblichen Bereich, z.B. bei wettbewerbs- oder markenrechtlichen Abmahnungen, sind die Auswirkungen noch deutlicher. Was ist lebenslang z.B. bei einer GmbH als juristischen Person? In jedem Fall werden es mehr als 30 Jahre sein. Davon muss nach der Entscheidung des BGH ausgegangen werden. Für alt eingesessene Traditionsunternehmen sicherlich ein ernsthaftes Problem. Konnten diese sich bis dato noch in der vermeintlichen Sicherheit einer „nur“ 30-jährigen Gültigkeit der Unterlassungserklärung wiegen, wird nun davon auszugehen sein, dass die Unterlassungsverpflichtung länger bestand hat. Unter Umständen so lange, wie das Unternehmen existiert.

Was war Gegenstand der Entscheidung des BGH?
In dem vom BGH entschiedenen Fall ging es um „Übergabeverträge zur vorweggenommenen Erbfolge vereinbarte Unterlassungspflichten“, also Unterlassungsverträge, die im Rahmen von Übergabeverträgen zur vorweggenommenen Erbfolge vereinbart wurden.
In diesem Zusammenhang musste sich der Bundesgerichtshof damit beschäftigten, ob aus einem derartigen Übergabevertrag (mit Unterlassungspflichten) nach über 30 Jahren noch Ansprüche hergeleitet werden können. Der BGH hat dies bejaht (Leitsatz):
Unterlassungsverpflichtungen nach § 137 Satz 2 BGB (schuldrechtliche Verfügungsverbote) werden nicht nach 30 Jahren nach allgemeinen Rechtsgrundsätzen unwirksam.

Dieser eine Satz wird die bisherige Kommentierung zu diesem Thema im gewerblichen Rechtsschutz sprichwörtlich über den Haufen werfen.

Denn es gibt, so der BGH, keinen allgemeinen Rechtssatz, der „die Geltung vertraglicher Verpflichtungen auf eine Frist von 30 Jahren begrenzt (Schack, JZ 1989, 609, 612; Staudinger/Kohler, BGB [2011], § 137 Rn. 45), und daher auch rechtsgeschäftliche Verfügungsverbote nach § 137 Satz 2 BGB nicht schon wegen Ablaufs dieser Frist erlöschen, weil dem vereinbarten Untersagungsanspruch auch noch nach dieser Zeit ein anerkennenswertes Interesse zugrunde liegen könne (Staudinger/Kohler, BGB [2011], § 137 Rn. 45; Schippers, MittRhNotK 1998, 69, 73)“.
Dieser Auffassung ist sicherlich zuzustimmen. Das BGB kennt keine Bestimmung zur höchstzulässigen Geltungsdauer vertraglicher Verpflichtungen nach § 137 Satz 2 BGB. Auch lässt sich eine solche zeitliche Obergrenze nicht auf anderem Wege ableiten. Zudem verstoßen vertragliche Bindungen nicht automatisch gegen die guten Sitten, wenn sie länger als 30 Jahre andauern.

In der täglichen Praxis werden wir immer wieder damit konfrontiert, dass im Laufe der Jahre einst unterzeichnete Unterlassungsverträge in Vergessenheit geraten. Unternehmen ist nach der Entscheidung des BGH insofern – noch mehr als zuvor – zu einem gewissenhaften Vertragsmanagement zu raten, um auch zukünftig lebenslang Verstöße gegen die Unterlassungsverpflichtung zu vermeiden. Privaten kann nur geraten werden, sich seine bereits begründeten Unterlassungspflichten immer wieder zu vergegenwärtigen – lebenslang.

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