Verharren die übrigen 15 Bundesländer im Bremserhäuschen?
+++ von Ansgar Lange +++ Kiel/Berlin, September 2011 – Schleswig-Holstein macht ernst. In ihren Sitzungen haben die Fraktionen von CDU und FDP beschlossen, dass der schleswig-holsteinische Entwurf für ein liberales Glücksspielgesetz noch im September vom Landtag verabschiedet werden soll. Der Landtag wird vom 14. bis 16. September zusammenkommen. „CDU und FDP sind sich einig, dass die abschließende dritte Lesung des Entwurfs für ein Glücksspielgesetz in der Septembersitzung stattfinden wird“, erklärten Hans-Jörn Arp, Werner Kalinka (beide CDU) und Wolfgang Kubicki (FDP) in Kiel.
Der aktuell geltende Glücksspielstaatsvertrag endet zum Jahreswechsel. CDU und FDP in Schleswig-Holstein lassen die Tür jedoch bis März 2012 weiterhin für eine länderübergreifende Lösung geöffnet: „Wir haben immer gesagt, dass eine schleswig-holsteinische Einzellösung in Zeiten zunehmender internationaler Zusammenarbeit und einer weltweiten Vernetzung nicht unsere bevorzugte Lösung ist. Und wir nehmen nach der eindeutigen begründeten Stellungnahme der EU zum Entwurf der anderen 15 Bundesländer durchaus Bewegung wahr. Deshalb geben wir die Hoffnung nicht auf, dass es doch noch zu einer gemeinsamen Lösung kommen wird“, betonte der stellvertretende Vorsitzende der CDU-Fraktion, Hans-Jörn Arp.
Experten halten diesen „Alleingang“ jedoch für begründet und unausweichlich, da die von den 15 anderen Bundesländern im Entwurf vorgelegte Nachfolgeregelung im Notifizierungsverfahren von der EU-Kommission scharf kritisiert worden war. Der zu Beschlussfassung anstehende Kieler Entwurf hatte aber sozusagen höchste europäische Weihen erhalten. Er wurde wettbewerbsrechtlich notifiziert. Der Entwurf der christlich-liberalen Koalition im Norden, den die EU-Kommission im Mai 2011 als europarechtskonform eingestuft hatte, sieht im Vergleich zum nicht europarechtstauglichen Vorschlag der anderen Bundesländer keine Beschränkung auf nur wenige private Anbieter vor.
Konzessionen, die auf der Grundlage des neuen schleswig-holsteinischen Glücksspielgesetzes erteilt werden, gelten erst ab März 2012. Bis dahin ist also eine länderübergreifende Lösung noch möglich, falls sich die übrigen Länder bewegen. In verschiedenen Bereichen der Suchtprävention will die Kieler Landesregierung weitere Verbesserungen auf den Weg bringen. „Wir stärken die Kontrolle, werden über eine Verordnung die Zuverlässigkeitskriterien präzisieren, nehmen Berichtspflichten über die Wirksamkeit des Spielerschutzes auf und sorgen über einen Fachbeirat für den Ausschluss anstößiger Wetten“, erläuterte Kalinka. „Zudem ist von Wichtigkeit: Es wird keine Anstalt gegründet, wie ursprünglich im Entwurf der Koalitionsfraktionen vorgesehen, sondern die Landesregierung wird über die Vergabe der Lizenzen entscheiden. Diese werden zeitlich begrenzt. Lizenzen aus anderen EU-Ländern gelten nicht automatisch in Schleswig-Holstein.“ Darüber hinaus sollen Online-Konzessionen für Spielbanken nur für die in Schleswig-Holstein ansässigen Spielbanken erteilt werden. Der Sport erhielte eine feste Zusage zur Förderung, und auch der Verbraucherschutz werde finanziell gestärkt.
Bereits am Montag (5. September) hatte der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende Hans-Jörn Arp http://www.hans-joern-arp.de auf der Medienwoche Berlin-Brandenburg http://www.medienwoche.de gesagt, dass der Gesetzentwurf voraussichtlich am Donnerstag (15. September) vom Landtag in Kiel verabschiedet werde. Vom 1. März an würden damit gültige Lizenzen für private Sportwetten-Anbieter erteilt. Schon jetzt gebe es 40 Interessenten, berichtet Heise Online http://www.heise.de.
Auf der Medienwoche wurde deutlich, dass insbesondere Medien und Sportvereine deutliche Verbesserungen von einem liberalen Gesetz erwarten. Sollten die 15 Länder, die noch im Bremserhäuschen sitzen und sich gegen Veränderungen sperren, bei ihrer Haltung bleiben, so dürfte dies nicht nur negative rechtliche Konsequenzen für sie haben. Die anderen Länder, so brachte Arp die Lage auf den Punkt, liefen Gefahr, dass die Marketingetats mit mehreren hundert Millionen Euro „dann im hohen Norden sitzen“. Dies wird den Dampf im Kessel erhöhen und dürfte Bewegung in die derzeit stockenden Gespräche über einen Neuanfang beim Glücksspiel-Staatsvertrag bringen und für andere EU-Länder vorbildlich sein.
Bei einer Öffnung des Sportwettenmarktes – so die Erwartung – werden übertragende Sportereignisse oder Werbung für Sportwettenanbieter Medien hohe Zusatzerlöse bringen. Sollten die Bedingungen für Wetten und Glücksspiel aber weiter am Markt vorbei laufen, dann sind die Aussichten vor allem auch für den Amateursport in Deutschland finster. Dies machte Bernd Schiphorst, Aufsichtsratsvorsitzender des Sportvereins Hertha BSC, auf der Veranstaltung in Berlin mit dem Titel „Chance durch sinnvolle Regulierung? Medien und Anbieter in einem liberalisierten Sportwettenmarkt“ deutlich. Die Kieler Pläne verfolge man mit viel Sympathie, schließlich wolle man verstärkt im Sponsoring- und Werbemarkt tätig werden und etwas für den Breitensport tun.
Wenn sich die Ministerpräsidenten auf ein Modell nach dem Vorbild des schleswig-holsteinischen Gesetzentwurfes einigen könnten und – bei einem fortbestehenden Monopol auf Lotto – eine kontrollierte Legalisierung von privaten Online-Poker-Angeboten und Sportwetten auf den Weg brächten, wäre dies ein großer Wurf. Nur mit einem so ausgestalteten neuen Staatsvertrag mit Wirkung zum 1. Januar 2012 könnten verschiedene Interessen (Spieler- und Jugendschutz, Bekämpfung des Schwarzmarktes und des rechts-grauen Raumes, höhere Steuereinnahmen, bessere Förderung der Wohlfahrtsverbände, der Kultur und des Breitensports) unter einen Hut gebracht werden. „Aufgrund der mangelnden Entschlusskraft der Politik sind schon in 2011 Tausende von Jobs nicht entstanden“, so ein Brancheninsider. Experten gehen davon aus, dass unter den Bedingungen eines legalisierten Marktes rund 30.000 neue Jobs entstehen könnten. Abgesehen von diesen Argumenten wird der Markt – also die Community der Spieler – de facto auch gar kein anderes Modell akzeptieren. Die Politik sollte zudem nicht riskieren, dass auch eine weitere Reform des Staatsvertrags höchstrichterlich kassiert wird.
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