Spannende Diskussionen auf dem Kongress Invest in Future in Stuttgart
Wie lassen sich Ehrenamtliche sinnvoll in den Kita-Alltag einbinden? Welche Maßnahmen helfen gegen den Fachkräftemangel bei Erzieherinnen und Erziehern? Zu diesen Fragen gab es beim Bildungs- und Betreuungskongress Invest in Future Ende Oktober in Stuttgart kontroverse Diskussionen. Rund 400 Expertinnen und Experten aus Unternehmen, Kommunen, der Pädagogik und von Trägern beteiligten sich am Kongress, der begleitenden Messe und der Abendveranstaltung mit der Verleihung der Invest in Future Awards.
Stuttgart (eos) – Frühkindliche Betreuung, Erziehung und Bildung ist ein Thema mit großer gesellschaftlicher Tragweite. Entsprechend viele unterschiedliche Gruppen und Akteure sprechen mit: Deshalb kommt es nicht selten zu Interessenskonflikten und Meinungsverschiedenheiten.
In seinem Plenumsvortrag verdeutlichte Professor Gerd E. Schäfer von der Universität Köln, wie Lernen funktioniert. „Wir lernen, weil wir immer schon etwas im Kopf haben. Neues Wissen verknüpfen wir mit vorhandenen Kenntnissen“, erklärte er. Je jünger ein Mensch sei, desto größer sei der Stellenwert eigener Erfahrungen beim Lernen. Grundlage dieser Erfahrungswelt sei der Alltag, in dem Kinder aufwachsen. In ihm wirken Familie, Institutionen und Öffentlichkeit idealerweise in einer „Kultur des Lernens“ zusammen, wenn eine reichhaltige Erfahrungswelt für Kinder entstehen soll. Was das für die Praxis ehrenamtlichen Engagements in Kitas heißt, machte die Diskussion von Beispielen deutlich, die Stefan Bischoff vom Kölner ISAB-Institut für Sozialwissenschaftliche Analysen und Beratung in seinem Vortrag vorstellte. „Für Projekte in denen Auszubildende aus Unternehmen mit den Kindern naturwissenschaftliche Experimente machen oder Seniorinnen und Senioren als Lese- bzw. Singpaten in den Kita-Alltag integriert sind, erhalten die Beteiligten viel positives Feedback“, sagte Bischoff. Aus pädagogischer Sicht gab es jedoch Bedenken: „Gerade bei der gut gemeinten Vermittlung naturwissenschaftlicher Zusammenhänge erleben die Kinder oft eine Art Zaubershow, die nichts mit ihrer Erfahrungswelt zu tun hat. Sie können das Gesehene nicht mit vorhandenem Wissen verknüpfen,“ erläuterte Gerd E. Schäfer. Wenn Ehrenamtliche aktiv würden, sähen sie sich im Rückgriff auf eigene Erfahrungen aus Kindergarten und Schule oft als Vermittlerinnen oder Vermittler von Wissen oder Fähigkeiten. „Das läuft einer zeitgemäßen Kita-Pädagogik zuwider, die ihre Aufgabe in der Begleitung und Bereicherung der selbstgesteuerten Lernprozesse der Kinder sieht“, sagte der Frühpädagoge.
Menschen bereichern Kinder durch ihre Persönlichkeit
„Das heißt nicht, dass wir in Kindertagesstätten nicht sehr von ehrenamtlichem Einsatz profitieren könnten“, ergänzte Waltraud Weegmann, Geschäftsführerin der Konzept-e für Kindertagesstätten gGmbH, die das Symposium gemeinsam mit dem KiND e.V. Dachverband und der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart GmbH (WRS) jährlich in Stuttgart durchführt. „Wir brauchen Menschen, die als Persönlichkeiten wirken, die Kindern die eigene Begeisterung für ein Thema vermitteln, für das sie ‚brennen‘.“ Wie zum Beispiel Pastor Frank Engelbrecht und Markus Riemann aus Hamburg, die für ihr Stadtteilvernetzungsprojekt HafenCity den zweiten Preis des Invest in Future Award 2011 zum Thema „Erfahrung trifft Kita“ erhielten. Ihre Projektvorstellung schlossen sie mit einer Musikperformance ab, in die sie das Publikum einbezogen.
Fachkräftemangel: Quereinstieg in die Pädagogik erleichtern?
Wie viel Fachlichkeit brauchen Kindertagesstätten? Diese Frage stellt sich auch im Zusammenhang mit dem zunehmenden Fachkräftemangel in der Kinderbetreuung. Brigitte Lösch (Bündnis 90 / Die Grünen), Vizepräsidentin des baden-württembergischen Landtags, sprach sich dafür aus, vielfältige Maßnahmen zu ergreifen, um den Fachkräftemangel etwas entgegenzusetzen: „Ein geringer Baustein dabei ist die Qualifizierung von Fachfremden.“ Dr. Frank Mentrup MdL, Staatsekretär im baden-württembergischen Kultusministerium, kündigte an, einen Masterplan auf den Weg bringen zu wollen, der durch verschiedene Maßnahmen dazu beitragen soll, mehr Menschen für den Arbeitsplatz Kindertagesstätte zu gewinnen. Dabei werde auch überlegt, wie Fachfremde in Kitas eingestellt und berufsbegleitend qualifiziert werden können. Mit einem ähnlichen Konzept habe man in Brandenburg gute Erfahrungen gemacht, berichtet der Erziehungswissenschaftler Detlef Diskowski: „Da meiste lernen Erzieherinnen und Erzieher sowieso in der Praxis und deshalb sollten Erzieher immer begleitend zur Praxis ausgebildet werden. Auf Vorrat lernen ist so wenig sinnvoll wie Trockenschwimmen.“
Männer für den Erzieherberuf mobilisieren
Männer bilden für die Kindertagesbetreuung einen noch kaum erschlossenen Fachkräftepool. „Im Bundesschnitt liegt der Männeranteil am pädagogischen Personal in Kitas derzeit bei 2,7 Prozent. Bis 2020 sollen es 20 Prozent werden“, berichtete Jens Krabel von der Berliner Koordinationsstelle Männer in Kitas. Die Institution begleitet das vom Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und dem Europäischen Sozialfonds geförderte Modellprogramm „MEHR Männer in Kitas“. „Es gibt einen breiten Konsens bei Kita-Leitungen, Trägern und Eltern, dass mehr männliche Fachkräfte in Kindertagesstätten auch pädagogisch ein Gewinn wären.“ 16 Träger im Bundesgebiet setzten im Rahmen des Bundesprogramms jetzt Kampagnen zur Gewinnung von Erziehern um. Für Baden-Württemberg präsentierte die Konzept-e für Bildung und Soziales ihre Vorhaben sowie den neuen Internetauftritt www.erzieher-werden.de.
Betriebskitas haben für Unternehmen einen doppelten Nutzen
Auch für Vertreterinnen und Vertreter aus Unternehmen spielt der Fachkräftemangel beim Thema Kindertagesbetreuung eine große Rolle – jedoch der Fachkräftemangel in der jeweils eigenen Branche. „Jedes zweite Unternehmen kann Stellen bereits nicht mehr besetzen“, sagte Dr. Sabine Stützle-Leinmüller, Leiterin des Geschäftsbereichs Fachkräfte bei der Wirtschaftsförderung Region Stuttgart. „Unternehmen möchten daher mit Kinderbetreuungsangeboten ihre Attraktivität für Bewerberinnen und Bewerber steigern. Doch das ist nicht alles: Sie engagieren sich im Sinne der Zukunftssicherung zunehmend auch für die Bildung des Nachwuchses.“ Stützle-Leinmüller machte außerdem deutlich, dass die Unterstützung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern mit Pflegeaufgaben ein immer wichtiger werdendes Tätigkeitsfeld für Unternehmen wird. Auch diesem Aspekt widmete der Kongress ein eigenes Themenforum.
Mögliche Interessenkonflikte zwischen Unternehmen und Kita-Trägern
Martina Ritzenhoff, Leiterin der Betriebskita „EffHa“ der Fachhochschule Bielefeld und gleichzeitig Dozentin der Hochschule, sagte: „Betriebe, die in eine Betriebskita oder eine betriebsnahe Einrichtung investieren, verbinden damit klare Anforderungen, die sich nicht immer mit pädagogischen Zielen decken.“ Bekannte Konfliktfelder seien zum Beispiel, das Aussehen der Räume und des Gebäudes, die Öffnungszeiten sowie Flexibilität bei den Bring- und Abholzeiten und die Kriterien für die Aufnahme neuer Kinder. „Die Beteiligten sollten sich vorab gut kennen lernen und über das Vorgehen bei kritischen Themen verständigen,“ riet die Dozentin.
Elterninitiative – das Modell bei BMW
„BMW überlässt die pädagogische Ausrichtung uns Fachkräften“, berichtete dagegen Margit Knapp, Leiterin der Kita BMW FIZ Strolche. „Unsere Kita ist eine Elterninitiative, die von BMW durch Serviceleistungen unterstützt wird.“ Der Wermutstropfen: Die Eltern, die zu 90 Prozent bei BMW arbeiten, müssen mit anpacken. Rund zehn Stunden Arbeit pro Kind im Monat bedeutet das für sie. Dafür haben die Eltern viel mehr Einblicke in Abläufe und Pädagogik. Sie legen die Öffnungszeiten fest, regelnd die Aufnahme der Kinder und stellen das Personal ein.
Max-Planck-Gesellschaft ist an 44 Kitas beteiligt
Die Max-Planck-Gesellschaft, die aus zuwendungs- und steuerrechtlichen Gründen keine eigenen Betriebskitas haben darf, beteiligt sich mit Zuschüssen an insgesamt 44 Kitas unterschiedlicher Träger im gesamten Bundesgebiet, um ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Betreuung für den Nachwuchs anbieten zu können. „In der Wissenschaft bedeuten bereits recht überschaubare Familienphasen das ‚Aus‘ für die Karriere. Eltern sind daher in besonderer Weise auf Unterstützung angewiesen“, erklärte Dr. Martha Roßmayer, Sachgebietsleiterin „Beruf und Familie/Chancengleichheit“ der Generalverwaltung der Max-Planck-Gesellschaft in München.
2012 findet Invest in Future am 22. und 23. Oktober wieder in Stuttgart statt. Die Veranstaltungswebsite http//www.invest-in-future.de sowie der zweimal jährlich erscheinende Invest in Future-Newsletter informieren während des Jahres über die Kongress-Themen. Wer den Invest in Future-Newsletter abonnieren möchte, Benjamin Janson unter benjamin.janson@konzept-e.de.
Foto: Udo W. Beier
Die Peter Sauber Agentur Messen und Kongresse GmbH (www.messe-sauber.de) ist Mit-Veranstalter und Organisator des jährlich in Stuttgart stattfindenden Brennstoffzellen-Fachforums f-cell für Produzenten und Anwender der Brennstoffzelle. Darüber hinaus führt die Agentur aus Stuttgart zahlreiche weitere Messen und Ausstellungen durch: zum Beispiel die lokalen Endverbraucher-Messen „Haus / Holz / Energie“ sowie den Kinderbetreuungs- und Bildungskongress „Invest in Future“.
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