Frische Vitamine für Ihr Unternehmen

Der Kandidatenmarkt ist in völligem Umbruch, und neue Konzepte sind nötig – vor allem für die Gewinnung der berufserfahrenen technischen Experten. Alle bisherigen Instrumente – auch Social Media – verlieren an Wirkung. Wie man das Problem vollkommen neu angehen sollte, erläutert Dr. Johannes Terhalle, Geschäftsführer der Dr. Terhalle & Nagel Personalberatung GmbH, Darmstadt, im Gespräch mit OEM & Lieferant.

Frage: Herr Dr. Terhalle, Sie gelten als Kritiker klassischer ersonalbeschaffungsinstrumente und zugleich als Innovator des Personalrecruiting. Wie beurteilen Sie den aktuellen Zustand des Bewerbermarktes in Deutschland?

Dr. Terhalle: Viele Unternehmen verzweifeln derzeit schier in der Personalbeschaffung. Die zugrundeliegenden Fakten in Deutschland sind unter anderem eine robuste Konjunktur mit vielen offenen Stellen, eine Steigerung der Beschäftigtenzahl in den vergangenen fünf Jahren von 39 auf 43 Millionen und der zunehmend spürbare demographische Wandel. Nicht mehr jede Zielgruppe ist erreichbar. Die Einstellung von Berufseinsteigern ist trotz aller gegebenen Schwierigkeiten noch machbar – hier können Unternehmen über den Ausbau regionaler Kooperationen mit Ausbildungseinrichtungen und Hochschulen selbst einiges realisieren. Managementvakanzen mit Personalführung können ebenfalls recht gut besetzt werden. Die Aussicht auf mehr Gestaltungsmöglichkeit durch die größere Führungsaufgabe ist der zunehmend spürbare demographische Wandel. Nicht mehr jede Zielgruppe ist erreichbar. Die Einstellung von Berufseinsteigern ist trotz aller gegebenen Schwierigkeiten noch machbar – hier können Unternehmen über den Ausbau regionaler Kooperationen mit Ausbildungseinrichtungen und Hochschulen selbst einiges realisieren. Managementvakanzen mit Personalführung können ebenfalls recht gut besetzt werden. Die Aussicht auf mehr Gestaltungsmöglichkeit durch die größere Führungsaufgabe ist der Motivationshebel, über den hier Kandidaten erfolgreich gewonnen werden. Aber bei den berufserfahrenen technischen Experten ohne Führungsverantwortung wissen Unternehmen nicht weiter, da hier alle bekannten Instrumente und Methoden versagen.

Frage: Was sind die Besonderheiten dieser Qualifikationsgruppe?

Dr. Terhalle: Wir müssen bei den berufserfahrenen technischen Professionals von folgenden Grundannahmen ausgehen: In dieser Qualifikationsgruppe herrscht Vollbeschäftigung. Wir können annehmen, dass es im Prinzip keine aus der Arbeitslosigkeit kommenden Bewerber gibt. Gleichzeitig sind im Markt enorm viele Stellen vakant, so dass auf jeden Suchenden mehrere Stellen kommen. Damit wählt der Kandidat das Unternehmen aus, für das er arbeiten möchte, und nicht mehr nur das Unternehmen den Kandidaten.

Die Auswahlkriterien der Personalbeschaffung nach altem Muster waren bis vor kurzem ganz andere. Da insgesamt weniger Stellen als Kandidaten im Markt existierten, standen einem Stellenangebot immer mehrere Bewerber gegenüber. Diese kamen aus der Arbeitslosigkeit oder waren Jobwechsler, die sich hier auch „anstellen“ mussten. Das Unternehmen wählte in der Folge denjenigen Bewerber aus, welcher der Aufgabe fachlich am nahesten kam. In der Tendenz ging man davon aus, eine fachliche Passung zu 100 Prozent zu realisieren. Daneben war es lediglich auch wichtig, dass die Persönlichkeit zum Unternehmen passte.

Frage: Wie müssen sich Unternehmen neu orientieren?

Dr. Terhalle: Ab sofort gelten neue Kriterien für alle Unternehmen. Das Auswahlkriterium der fachlichen Passung seitens der Arbeitgeber greift heute zu kurz, da auch der Bewerber und nicht nur das Unternehmen entscheidet. Der Bewerber sucht aber nicht nach der fachlichen 100-Prozent-Passung. Läge sie bei 100 Prozent, gäbe es für ihn keinen Grund, die alte Position zu verlassen. Der Bewerber blickt vielmehr auf die Entwicklungsmöglichkeit, die ihm eine neue Aufgabe bietet. Er sucht also eine fachlich passende Position mit einer Deckung von etwa 75 Prozent zur alten Aufgabe, in deren neue Facetten er sich hinein entwickeln kann. Die erste Voraussetzung für Unternehmen ist also, sich von fachlichen 100-Prozent-Passungen zu verabschieden und stattdessen genügend Entwicklungsmöglichkeit zuzulassen. Das reicht aber noch nicht. Denn Kandidaten haben auch hier die Auswahl zwischen mehreren Positionen mit stimmiger Entwicklungsperspektive. Sie suchen einerseits nach der Entwicklung, andererseits aber auch nach ganz anderen Aspekten. Und diese haben immer etwas mit der Kultur des Unternehmens zu tun.

Frage: Können Sie uns Beispiele für kulturelle Wechselgründe nennen, und was sind die Konsequenzen für die Unternehmen?

Dr. Terhalle: Beispiele sind der Wechsel aus einem stärker regulierten großen Unternehmen in ein etwas kleineres Unternehmen, das flexibler und pragmatischer handelt, der Wunsch nach mehr oder auch nach weniger Mobilität, die Abkehr von einer schlechten Führungs- oder Kommunikationskultur, die Distanzierung von einer bestimmten Führungskraft oder die Suche nach mehr Freiheit und Selbstbestimmung oder nach Akzeptanz und Wertschätzung. Technische Professionals suchen also nach einer anspruchsvollen Aufgabe, in der sie sich entwickeln können, und nach einer Veränderung der kulturellen Rahmenfaktoren. Im Wettbewerb der Unternehmenskulturen werden die Unternehmen mit der besseren Kultur gewinnen! „Besser“ ist jedoch ein relativer Wert. Der eine möchte in einem stärker vorgegeben Setting arbeiten, der andere erwartet eine flexible Organisation. Entscheidend ist aber immer das kulturelle Matching der Aufgabe, der Abteilung oder der ganzen Firma mit den Vorstellungen und Wesenszügen des Kandidaten. Wenn Unternehmen also punkten wollen, stellen sie nicht die fachlichen Aspekte der Vakanz in den Vordergrund, sondern die kulturellen Aspekte und organisatorischen Qualitäten. Das ist nicht einfach, aber notwendig. Die logische Folge ist, dass Kandidaten sich im Rahmen der fachlich passenden Vakanzen für das Jobangebot entscheiden, das am besten mit den eigenen kulturellen und organisatorischen Erwartungen zusammenpasst.

Frage: Was sind vor diesem Hintergrund die wichtigsten Kriterien für die Suche nach berufserfahrenen technischen Professionals?

Dr. Terhalle: Die Herausforderung ist, die kulturellen Aspekte einer Vakanz zu beschreiben. Aus der Bündelung mehrerer kultureller Teilaspekte muss der eigentliche Hebel entstehen, mit dem Kandidaten gewonnen werden. Auf die Herausarbeitung dieser Kultur-Hebel kann man sich spezialisieren. Die Methoden dafür kommen eher aus den Kulturwissenschaften und der Soziologie, aus der Organisationsentwicklung und systemischen Coaching- und Beratungsansätzen als aus dem Methodenkasten der MINT-Ausbildungen. Mit dieser Methodik arbeiten wir als Headhunter für technische Professionals sehr erfolgreich und sind inzwischen gefragter Partner vieler herausragender Unternehmen in Deutschland geworden.

Anmerkung: Wir bedanken uns für das Gespräch.