Franz Marc – seine Bilder als Beispiele des Expressionismus

In den nur 36 Jahren seines Lebens vollzog sich bei Franz Moritz Wilhelm Marc (1880-1916) eine künstlerische Entwicklung, wie sie bei anderen großen Malern mehrere Jahrzehnte dauert. Und das, obwohl er erst 1890 überhaupt mit dem Kunststudium begann. Zu Beginn seiner Laufbahn kopierte er den von den damals anerkannten Akademien propagieren Stil des Naturalismus.1907 kam er in Paris mit dem Postimpressionismus von van Gogh und Gauguin in Berührung und wurde schließlich einer der bekanntesten Vertreter, wenn nicht sogar der Vorreiter des Expressionismus.
Zuvor versuchte Franz Marc sich an Stilelementen des Kubismus, des Fauvismus und auch des Futurismus, ohne sich dabei jedoch gänzlich von der gegenständlichen Darstellung zu lösen. Hier seien die bis heute bekanntesten Gemälde mit den Tierdarstellungen genannt wie Die gelbe Kuh, Der Turm der blauen Pferde oder Tierschicksale. Die ersten abstrakten Bilder von Franz Marc, etwa Kämpfende Formen, fallen in die Jahre 1913 und 1914. Marcs künstlerisches Schaffen war immens: Es sind 244 Ölgemälde verzeichnet, hinzu kommen fast ebenso viele Aquarelle, Zeichnungen und andere Arbeiten. Auch als Schriftsteller war er tätig, wenn seine Liebe auch stets der Malerei galt.
Hatte sich Marc in seinen Anfangsjahren noch mit dem Kopieren von Bildern aus Museen beschäftigt und später Landschaften gemalt, wandte er sich dann verstärkt Tierdarstellungen zu. Für ihn verkörperten Tiere die ursprüngliche Reinheit, die den Menschen versagt war. Sie lebten vollkommen in Einklang mit der sie umgebenden Natur – Sinnbilder eines utopischen Weltbildes. Eine solche Wiedergabe erreichte er in der Anfangszeit durch zart geschwungene Linien, die zwar Lebendigkeit ausdrückten, zugleich aber auch Ruhe und Harmonie ausstrahlten. Die später wahrlich keineswegs naturgetreue Darstellung der Tiere geht auf Marcs Verständnis von den Farben zurück. Die Anregung dazu stammt vermutlich von der Begegnung und späteren Freundschaft mit dem Schweizer Tiermaler Jean-Bloé Niestlé, der ihn von der korrekten Abbildung der Tiere hin zum Ausdruck von deren innerem Wesen brachte. Zu der eigenwilligen Interpretation gelangte Marc schließlich durch eine ganz eigene Deutung der Farben. Schon längere Zeit war er letztlich unzufrieden mit den gestalterischen Mitteln, die sich ihm boten. Er studierte ausgiebig die Farbenlehre von Goethe wie auch die von Philipp Otto Runge und gelangte auf diese Weise zu einem ganz eigenen Farbkonzept.
Für Marc stellte das Blau die männlich-herbe Komponente dar, gelbe Töne versinnbildlichten die zarte, weibliche Natur. Und diese beiden mussten gegen das schwere und brutale Rot der Materie ankämpfen. Aus diesen Sichtweisen von den drei Grundfarben ließen sich durch Mischen und Beimengen sehr ausdrucksstarke Empfindungen entwickeln. Diese Farbkonzepte entwickelte Marc jedoch noch weiter. Das Blaue Pferd I und Das Blaue Pferd II sind Gemälde, die im Jahr 1911 entstanden. Hier sollte sich das Blau als Ausdruck des tierischen Wesens manifestieren und zugleich die Loslösung von den Hindernissen und Hemmnissen auf der Erde aufzeigen. Die gelbe Kuh verdeutlicht dagegen das Weiblich-Sinnliche.
Bereits im Folgejahr, nämlich 1912, malte Franz Marc das Bild Der Tiger. Dieses Gemälde darf als der Anfang seiner kubistischen Malweise gelten. Inspiriert dazu war er durch Gemälde von Picasso und Braque, die er allerdings besonders ausdrucksstark ausformte. Diesen Malstil perfektionierte Marc in den beiden folgenden Jahren – die Gegenstände wandten sich dem Abstrakten zu und waren in prismaähnlicher Weise aufgezeigt. Auch andere, meist eckige geometrische Formen finden sich in den Bildern dieser Zeit. Bei Der Turm der blauen Pferde etwa wird diese Tendenz besonders deutlich spürbar.
Denn die Landschaft im Hintergrund besteht lediglich aus Linien, die sich indessen zu eben diesen eher abstrakten Gefügen zusammenschließen. Und die Tierschicksale schließlich, ebenfalls von 1913, zeigen ein blauweißes Reh mit hochgerecktem Kopf, dem sich Wölfe, Schweine und Pferde nähern. Diese Angreifer sind nur undeutlich als die genannten Tiere auszumachen. Dagegen drückt die umgebende Landschaft durch die extrem spitzen Formen deutlich die Bedrohung aus. Marc notierte auf der Rückseite dieses Bildes, dass unser Dasein ein großes Leid sei. Diesen Satz erläuterte er wenig später seiner Frau gegenüber als Vorahnung des tatsächlich kurz bevorstehenden Kriegs.
Dass Franz Marc Opfer dieses Kriegs werden sollte – er fiel 1916 bei Verdun – ist als besondere Tragik seines Lebens zu deuten. Seine Hinwendung zur Abstraktion, die in seinen letzten Bildern ganz deutlich wird, erklärte er ein Jahr vor seinem Tod so: Er habe das Tier schon immer höher geachtet als den Menschen. Allerdings sei auch dieses Wesen nach und nach immer hässlicher und widersprüchlicher geworden, sodass er gar nicht umhin gekommen sei, es abstrakt und schematisch abzubilden.