Es scheint sich im Fahrerlaubnisrecht eine richtungsweisende Änderung der Rechtsprechung anzubahnen. Im Ergebnis könnte das dazu führen, dass bei jeder Alkoholfahrt eine MPU angeordnet werden kann, so die Einschätzung von Udo Reissner, Fachanwalt für Verkehrsrecht.
Wurde die Fahrerlaubnis einem Inhaber wegen einer Alkoholfahrt entzogen, geht der Antrag auf Wiedererteilung der Fahrerlaubnis nach Ablauf der Sperrfrist häufig mit der Aufforderung der Fahrerlaubnisbehörde einher, zur Ausräumung von Eignungszweifeln ein medizinisch-psychologisches Gutachten (MPU) vorzulegen.
Die gesetzliche Vorlage hierzu liefert § 13 der Fahrerlaubnisverordnung (FeV). Dort ist geregelt, wer zur Vorbereitung von Entscheidungen über die Erteilung der Fahrerlaubnis ein ärztliches Gutachten (§ 13 Ziff. 1 FeV) oder ein medizinisch-psychologisches Gutachten (§ 13 Ziff. 2 FeV) beizubringen hat:
Das medizinisch-psychologische Gutachten hat in der Vergangenheit grundsätzlich denjenigen getroffen,
- der wiederholt Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss begangen hat oder
- der ein Fahrzeug im Straßenverkehr bei einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 Promille oder mehr oder einer Atemalkoholkonzentration von 0,8 mg/l oder mehr geführt hat.
Darüber hinaus war die Begutachtung angesagt, wenn abzuklären war, ob ein Fall des Alkoholmissbrauchs oder der Alkoholabhängigkeit besteht.
Bisher wurde eine MPU nach einmaliger Trunkenheitsfahrt erst dann angeordnet, wenn die BAK mindestens 1,6 Promille betrug oder ein Wiederholungsfall vorlag.
Nunmehr scheint sich eine richtungsweisende Änderung der Rechtsprechung anzubahnen, die im Ergebnis dazu führen könnte, dass bei jeder!!! Alkoholfahrt eine MPU angeordnet werden kann.
So hat beispielsweise der VGH Mannheim in einer Entscheidung vom 15.01.2014 entschieden, dass die Anordnung einer medizinisch-psychologischen Untersuchung nach jeder Entziehung der Fahrerlaubnis wegen einer Trunkenheitsfahrt angeordnet werden kann und diese Anordnung auch zulässig ist. Diese Rechtsprechung wird zwischenzeitlich auch in großen Teilen Baden-Württembergs umgesetzt.
Aber auch außerhalb Baden-Württembergs – so auch in Bayern – findet diese Rechtsprechung Anhänger.
Die Rechtsprechung in Bayern ist noch nicht einheitlich, wie zwei aktuelle Entscheidungen zeigen:
So ist das VG Würzburg mit seiner Entscheidung vom 21.07.2014 der Aufweichung der 1,6 Promille-Grenze ausdrücklich entgegen getreten. Dagegen hat das VG München mit einer Entscheidung vom 19.08.2014 die Anordnung einer MPU sogar bei einer Verurteilung wegen nur relativer Fahruntüchtigkeit – also weniger, als 1,10 Promille mit Fahrfehler – für rechtmäßig erklärt.
Es ist aus diesem Grunde durchaus denkbar, dass eine MPU ins Haus steht obwohl die gesetzlich ausdrücklich normierten Voraussetzungen der FeV nicht vorliegen.
Dies ist vor allem deswegen problematisch, weil das erkennende Strafgericht in seiner Entscheidung hierüber keine Regelung trifft. Vielmehr setzt das Gericht bei strafrechtlichen Verurteilungen lediglich die Sperrfrist fest, für die die Verwaltungsbehörde im Fall eines Entzugs der Fahrerlaubnis keine neue Fahrerlaubnis erteilen darf. Ob die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis dann von einer MPU abhängig gemacht wird, entscheidet die Fahrerlaubnisbehörde. Der Bewerber der Fahrerlaubnis erfährt demnach frühestens 3 Monate vor Ablauf der Sperrfrist – zu einem früheren Zeitpunkt kann der Antrag nicht gestellt werden – von seinem Schicksal.
Abzuwarten bleibt, welche Voraussetzungen die Psychologen an die Eignung von Fahrerlaubnisbewerbern stellen, die im niedrigeren Promillebereich erstmalig auffällig wurden. In der Regel wird die MTP nur dann bestanden, wenn für die Dauer von mindestens 1 Jahr ein Abstinenznachweis geführt wird. Häufig zeigen sich verkehrspsychologische Beratungen als sehr sinnvoll. Der Nachweis der Abstinenz kann nur bei hierfür zugelassenen Stellen geführt werden.
Zukünftig bedeutet diese Tendenz in der Rechtsprechung demnach, dass in allen Fällen des Entzugs der Fahrerlaubnis wegen einer Trunkenheitsfahrt die weitere Vorgehensweise im Hinblick auf die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis von entscheidender Bedeutung ist. Betroffene sollten frühestmöglich die Möglichkeiten der – wenn auch nur prophylaktischen – Vorbereitung auf die MPU mit einem auf diesem Gebiet spezialisierten Rechtsanwalt besprechen. Im Falle der Anordnung der MPU nutzen viele Betroffene die Zeit zwischen der Entziehung und der Antragstellung nicht ausreichend, um sich auf die MPU vorzubereiten. Welche Maßnahmen zu einer derartigen Vorbereitung zählen, weiß nur der hierauf spezialisierte Rechtsanwalt.
Autor dieses Beitrags ist Rechtsanwalt Udo Reissner von der überörtlichen Sozietät Reissner, Ernst & Kollegen in Augsburg und Starnberg. Er ist nicht nur Fachanwalt für Verkehrsrecht sowie ADAC-Vertragsanwalt und Schwacke-Vertragsanwalt sondern zugleich auch Strafverteidiger.
Rechtsanwalt Udo Reissner betreut Mandanten aus dem gesamten Bundesgebiet in kniffligen Fragen des Strafrechts und des Verkehrsrechts, insbesondere im Zusammenhang mit dem Entzug und der Wiedererteilung der Fahrerlaubnis sowie allen Fragen der EU-Fahrerlaubnis.
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