Der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Professor Hans-Jürgen Papier, hat vor einer Volksabstimmung über den Euro und eine vertiefte politische Union in Europa gewarnt. Der „Bild-Zeitung“ (Donnerstagausgabe) sagte Papier, Forderungen nach einer neuen Verfassung könnten „die verfassungspolitische und verfassungsrechtliche Stabilität Deutschlands“ gefährden. „An den derzeitigen Krisenerscheinungen Europas trägt das Grundgesetz mit Sicherheit keine Schuld“, so Papier.
Diese Krisenerscheinungen könnten und müssten „auf der Grundlage unseres bewährten Grundgesetzes behoben werden“. Das Grundgesetz schließe es auch aus, „dass Deutschland durch permanente Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union die eigene staatliche Souveränität verliert und Teil eines europäischen Bundesstaates wird“. Papier: „Daran könnte selbst ein Volksentscheid, der auch erst nach einer Änderung des Grundgesetzes möglich wäre, nichts ändern.“ Wenn Deutschland zusammen mit den anderen Mitgliedstaaten einen europäischen Bundesstaat gründen und darin als Gliedstaat aufgehen wolle, könne das nur dadurch bewerkstelligt werden, „dass sich das deutsche Volk unter Preisgabe des Grundgesetzes eine neue Verfassung gibt“. Am Ende einer Verfassungsneuschöpfung könne ein Volksentscheid stehen. Zugleich warnte Papier vor Gedankenspielen über eine neue Verfassung. „Der Inhalt einer solchen neuen Verfassung wäre völlig offen. Auch alles Bewährte stünde zur Diskussion. Ein Ende dieses Prozesses wäre kaum abzusehen.“ Der frühere Verfassungsgerichts-Präsident melde zudem Zweifel an, ob die Bundesbürger überhaupt eine neue Verfassung wollten. Er „überhaupt keine Bereitschaft des deutschen Volkes, sich an Stelle des bewährten Grundgesetzes eine neue Verfassung zu geben und sich in einen europäischen Bundesstaat einzugliedern“. Zudem fehlten in Europa die Voraussetzungen für einen gemeinsamen Bundesstaat. „Es fehlen derzeit alle für eine wirksame demokratische Ordnung unerlässlichen Vorbedingungen auf der europäischen Ebene“, sagte Papier. Es gebe kein europäisches Staatsvolk, keine europäische Medienöffentlichkeit und keine europäische Parteienlandschaft. „Ich warne daher davor, die verfassungspolitische und verfassungsrechtliche Stabilität Deutschlands durch Forderungen nach einer neuen Verfassungsordnung zu gefährden.“